Rezension

Vom Leben und Wohnen berühmter Literaten - ein wundervolles Buch

Dichterhäuser - Bodo Plachta

Dichterhäuser
von Bodo Plachta

Bewertet mit 5 Sternen

„Wer den Dichter will verstehen / Muss in Dichters Lande gehen.“ - Johann Wolfgang von Goethe

Auf 272 Seiten lädt der Germanist Bodo Plachta den Leser ein, sich an über 50 Wirkungs- und Erinnerungsorte auf Spurensuche zu begeben, um der Frage nachzugehen, wo und wie Literatur entstehen konnte. Das hochwertige und großformatige (23 x 29 cm) Buch 'Dichterhäuser' bietet mit 157 farbigen Fotografien (von Achim Bednorz) sorgsame Einblicke in die Wohn- und Lebenswelt deutschsprachiger Dichtergrößen - die Bandbreite reicht hierbei durch sämtliche literaturgeschichtlichen Epochen.

„Orte der Erinnerung markieren wir daher, um sie nicht aus dem Blick zu verlieren.“ - so lautet es in der Einleitung. Meiner Meinung nach gelang es Plachta mit 'Dichterhäuser' ganz ausgezeichnet, von den Orten und deren einstigen Bewohnern zu erzählen, zumal es mein Interesse an Werken, die mir bislang unbekannt waren, wecken konnte. Ich komme nicht drumherum zu betonen, wie wundervoll dieses Buch aufgemacht ist – ein wahres Schmuckstück!

Jedes Kapitel öffnet gewissermaßen neue Räume, da voranstehend kurz, aber gut verständlich die jeweilige Epoche erläutert wird und relevante Hintergründe durchleuchtet werden, welchen Stand Schriftsteller zu jener Zeit beispielsweise hatten und wie sich dieser veränderte, wie die damaligen Wohnverhältnisse aussahen, was die Bevölkerung prägte und wie sich dies in der Literatur widerspiegelte und so weiter. Anschließend kann der Leser in vergangene (Lebens-)Welten eintauchen, da Plachta zu jeder repräsentativen Person und deren Räumlichkeiten, aus denen - dank der kunstvoll in Szene gesetzten Fotografien - die eingefrorene Zeit herausgelesen werden kann, eine eigene Geschichte in Form einer Kurzbiographie zu Leben erweckt, Zeitzeugen zur Sprache kommen lässt oder sogar den Dichter aus Werk und Tagebücher zitiert. Die maximal auf 10 Seiten ausgelegten Abschnitte eignen sich vortrefflich dazu, das Buch immer wieder erneut zur Hand zu nehmen und weiterzulesen, sowie die großformatigen Abbildungen zu betrachten. Auch Vorbilder für Romanfiguren und literarische Schauplätze (Lotte und Werther, das Buddenbrook-Haus, sowie Kurt Tucholskys Erzählung 'Rheinsberg') sind vorzufinden, zumal der Begriff 'Dichter' hierbei weit gefasst wird, wie die folgende Liste derjenigen, die aus 200 Gedenkstätten des deutschen Sprachraums für dieses Buch ausgewählt wurden, zeigt:

Wolfram von Eschenbach, Oswald von Wolkenstein, Hans Jacob Christian von Grimmelshausen, Gottholm Ephraim Lessing, Johann Wilhelm Ludwig Gleim, Friedrich Gottlieb Klopstock, Johann Gottfried Seume und Georg Joachim Göschen, Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang von Goethe, Johann Gottfried Herder, Friedrich Schiller, Friedrich Nietzsche, Novalis, Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, Achim und Bettina von Arnim, Justinus Kerner, Friedrich Hölderlin, Annette von Droste-Hülshoff, Eduard Mörike, Adalbert Stifter, Heinrich Heine, Georg Büchner, Friedrich Hebbel, Theodor Fontane, Theodor Storm, Wilhelm Raabe, Conrad Ferdinand Meyer, Georg Trakl, Karl May, Hugo von Hofmannsthal, Gerhart Hauptmann, Ida und Richard Drehmel, Hermann Hesse, Hans Fallada, Marieluise Fleißer, Ernst Barlach, Anna Seghers, Berthold Brecht, Arno Schmidt, Ernst Jünger, Peter Huchel, Robert Musil, Ingeborg Bachmann, Christiane Lavant, Wolfgang Koeppen, Thomas Bernhard, Walter Kempowski, Friedrich Dürrenmatt

Angesichts der Liste wird bereits deutlich, wie viele Geschichten dieses Buch bereithält - so erzählt es auch von Vertreibung, Exil, Schicksalsschlägen und vom Zahn der Zeit. 'Dichterhäuser' zeigt eindrucksvoll, dass die Privaträume berühmter Literaten weitaus mehr sind als reine Zeugen des boomenden Erinnerungskults oder der Selbstinszinierung: Sie dienen auch als Forschungsstätte, Archive, Zentren des Literaturbetriebs und lebendige Orte der Begegnung. Das im Anhang vorzufindende Adressverzeichnis samt Literaturhinweis winkt quasi als Einladung, um die Erinnerungsorte auf eigene Faust aufzusuchen und selbst zu erleben.

Am Rande möchte ich noch anmerken, dass die Überschrift des Klappentextes 'Zuhause bei Deutschlands Dichtern' auf den ersten Blick etwas irreführend ist, da es genaugenommen 'Zuhause bei deutschsprachigen Dichtern' lauten müsste, schließlich sind im Buch auch Stellvertreter aus Österreich und der Schweiz vorzufinden.

Summa summarum kann ich sagen, dass 'Dichterhäuser' ein sehr anregendes Buch für mich war, da es mir nicht nur Autoren, die ich schätze, näher brachte, sondern auch diejenigen, von deren Existenz ich bislang noch nichts wusste und die nun mein Interesse weckten. Demnach spreche ich für alle Leser und Buchliebhaber eine klare Empfehlung aus, da mir das Buch einige schöne Stunden des Verweilens und Nachsinnens schenken konnte.