Rezension

Vom Versuch, das Gute im Menschen zu ent-schütten

Paradies für alle - Antonia Michaelis

Paradies für alle
von Antonia Michaelis

Bewertet mit 5 Sternen

"Das Leben ist ja alles, was man hat. Man muss nur... die Sachen... umverteilen!"

Der 9-jährige hochbegabte David ist der Meinung: Eigentlich ist alles viel zu ungerecht verteilt. Geld, Liebe, Fahrräder. Einfach alles. Jeder hat von irgendetwas zu viel und von etwas anderem zu wenig, und das Resultat ist, dass alle irgendwie unglücklich sind. Das kann so nicht weitergehen, und so gründet er mit seiner Freundin Lotta die "Werkstatt zur Verbesserung der allgemeinen Gerechtigkeit". Denn wenn man nur genug Leuten hilft und die Murmel über einen bestimmten Punkt der schiefen Ebene hinausschubst, wird diese Ebene irgendwann kippen und alles wird sich verselbstständigen - das Paradies auf Erden schafft sich sozusagen ganz von alleine. Also beginnt David, seinen Plan in die Tat umzusetzen - einen Plan, von dem seine Mutter Lovis jedoch erst erfährt, als David nachts ins Krankenhaus eingeliefert wird und von nun an im Koma liegt. Niemand kann sich erklären, was David spät abends auf der Autobahn vorhatte. Also begibt sich Lovis im Werkstattbericht ihres Sohnes auf die Suche - und erhält am Ende die Antwort auf viel mehr Fragen, als sie am Anfang gestellt hat...

 

Die Geschichte setzt nach dem Unfall Davids ein. Geschrieben ist sie aus der Sicht von Davids Mutter Lovis. Immer dann, wenn sie im Werkstattbericht ließt, der wie eine Art Tagebuch verfasst ist, kommt jedoch auch David selbst zu Wort und berichtet davon, wie er versucht, den Menschen (und auch einigen Tieren) zu helfen. Das Besondere ist dabei, dass David sich aus der naiven und unschuldigen Sicht eines Kindes heraus durchaus wichtige Gedanken macht und viele wichtige Fragen stellt, vor denen die meisten Erwachsenen die Augen verschließen. Denn er versucht nicht nur, den misshandelten Hund eines Nachbarn "umzuverteilen" oder zu verhindern, dass eine ältere Dame ihren geliebten Garten verlassen und ins Altersheim ziehen muss, sondern er beschäftigt sich auch mit der Lektüre einiger Philosophen und versucht beispielsweise die Denkweise des Sokrates zu verstehen, um so der Erschaffung des Paradieses näherzukommen. Dabei kommt natürlich auch die Frage auf - gibt es einen Gott, und falls ja, was - und wo - ist er?

"Paradies für alle" war nicht mein erstes Buch von Antonia Michaelis, und so hatte ich schon eine gewisse Erwartungshaltung, die auch defintitiv nicht enttäuscht wurde. Der Schreibstil ist wunderschön, gerade in diesem Buch hier kommt da eben auch noch diese ganz besondere kindliche Sicht hinzu, die überhaupt nicht anstrengend und nervig ist, eher im Gegenteil. Die Figuren, allen voran natürlich die Protagonisten David und Lovis, sind sehr schön ausgearbeitet und auch die Nebencharaktere haben mir gut gefallen. Die Idee hinter der Geschichte selbst ist wirklich gut und auch wunderbar umgesetzt, wie ich finde. Es ist eine wirklich gute Mischung: Traurig, aber nicht zu sehr. Spannend, ohne dass das das Hauptcharakteristikum des Buches wäre, nachdenklich, ohne langweilig zu werden, berührend, stimmungsvoll.

Insgesamt kann ich also sagen, dass mir dieses Buch wirklich sehr gut gefallen hat. Eine klare Leseempfehlung!