Rezension

Von allem zu viel des Guten

Stealing Your Heart -

Stealing Your Heart
von Kelly Siskind

Bewertet mit 2 Sternen

Stealing Your Heart hat mir seiner kopflos handelnden Diebin und dem dominanten Elvis Presley Thema einfach nicht meinen Geschmack getroffen. Ich habe mir in vielerlei Hinsicht etwas anderes erwartet.

Von den Reichen stehlen und es den Armen geben? Was sich stark nach den Abenteuern von Robin Hood anhört, ist für Clementine Alltagsgeschäft. Als sie ihr neuster Coup zum Elvis-Presley-Festival in die Kleinstadt Witchway führt, ahnt sie jedoch nicht, dass der verwöhnte Schnösel, den sie berauben will, genauso hinter ihr, wie sie hinter seinem van Gogh her ist. Sich in Jacks Leben einzuschleichen, ist daher kein Problem – ihr Herz immer mehr an seine liebenswerte, schüchterne Art zu verlieren, aber schon…

Kelly Siskind hat einen einfachen und sehr zugänglichen Schreibstil, der es leicht macht, in die Geschichte hineinzufinden. Eine Protagonistin, die das Robin-Hood-Prinzip auslebt, ist wirklich mal etwas anderes und konnte damit sofort meine Neugierde wecken. Mir hat gut gefallen, dass diese umstrittene Vorstellung von Gerechtigkeit (zumindest zunächst) nicht einseitig thematisiert wird. Clementine hat ihren wohltätigen Diebstählen ihr ganzes Leben gewidmet, was für sie auch große persönliche Einschränkungen bedeutet. Um nicht aufzufliegen, beschränkt sie Kontakte zu anderen Menschen auf Oberflächlichkeit oder Lügen. Ihre einzige Bezugsperson ist ihr Ziehvater und Mentor Lucien, deren Pläne sie ohne jegliche Zweifel ausführt, auch wenn sie mit ihrem Leben schon lange nicht mehr glücklich ist. Als Leser bekommt man einen guten Einblick davon, wie es sich auf sie auswirkt, dass sie ihre eigenen Wünsche und Träume stets zurückstellen muss. 

Ziemlich schnell zeigt sich leider, dass Clementine dem Bild einer Meisterdiebin, das von ihr gezeichnet wird, nicht gerecht wird. Anstelle genialer, unvorhersehbarer Pläne bekommt man eine Protagonistin, die sich von dem nächstbesten attraktiven Mann, dem sie auf ihrer Fahrt nach Witchway begegnet, vollkommen aus der Fassung bringen lässt. Unnötig zu erwähnen, dass es sich hierbei gleich um die Zielperson handelt und der Diebstahl damit schon von vornherein nicht mehr reibungslos über die Bühne gehen kann. Ihre Naivität und kopflosen Handlungen passen einfach nicht zu dem Leben, das sie bis dahin geführt haben soll. 

Jack hat mir von den beiden noch am besten gefallen. Seine liebenswerte, ehrliche Art und Unfähigkeit, mit Frauen zu kommunizieren, haben ihn mir schnell sympathisch werden lassen. Damit widerspricht er grundsätzlich dem typischen Bild eines erfolgreichen Unternehmers, den viele andere Liebesromane zeichnen. Wirklich überzeugen konnte mich der Umgang mit Klischees aber auch hier nicht, weil einfach andere Tropes bedient werden. Die unabhängige Diebin schraubt gerne an Autos und der liebevolle Ingenieur überwindet seine Schüchternheit durch Auftritte als Evis Tribute Künstler (für mich ein absoluter Romantik-Killer). Nichtsdestotrotz macht es Spaß zu verfolgen, wie sich die Beziehung der entwickelt. Auch wenn alles zu schnell geht, ist es süß, wie Jack Clementine immer mehr von sich anbietet, um sie langsam aus sich herauszulocken. Als er dann aber auch noch seine Dominanz im Schlafzimmer unter Beweis stellen muss, ist es mit seiner Glaubwürdigkeit endgültig dahin. Die Leidenschaft zwischen ihm und Clementine konnte mich damit auch nicht mehr abholen. 

Siskind wartet zwar mit einer Menge einzigartiger Themen auf, wie Clementines und Jacks nerdige Vorliebe für Bartagamen, aber fesseln konnte mich die Geschichte nicht wirklich. Dafür war es mir einfach von allem eine Spur zu viel. Leider bleibt die Handlung auch durchgehend vorhersehbar. Die einzige, aber definitiv nicht positive Überraschung war für mich, dass das ganze Elvis Thema so eine dominante Rolle einnimmt, weil es durch den Klappentext und die Leseprobe nicht abzusehen war. Die ganzen Informationen rund um das Elvis Festival haben mich zunehmend genervt. Die Szenen, die wohl humorvoll gedacht sind, waren mir eher unangenehm, sodass ich von dem Komödienteil nichts mitbekommen habe. Die größte Enttäuschung wartet aber erst das Ende, an dem sich gleich das nächste Klischee erfüllt. Ich finde es schade, dass Clementines Zwiespalt zwischen dem Zweck und den Mitteln ihrer wohltätigen Spenden damit durch klare Schwarz-Weiß-Malerei aufgelöst wird. Alles in allem hat Stealing Your Heart einfach nicht meinen Geschmack getroffen. Ich habe mir in vielerlei Hinsicht etwas anderes erwartet.