Rezension

Von allem zuviel

Das eiserne Herz des Charlie Berg - Sebastian Stuertz

Das eiserne Herz des Charlie Berg
von Sebastian Stuertz

Bewertet mit 3 Sternen

Seinem besonderen Herzen verdankt es Charlie, dass er schon mehrmals "gestorben" ist, in besonders aufregenden, hektischen Situationen macht sich sein Herzfehler bemerkbar und Charlie stürzt ins schwarze Nichts. Nach dem ersten dieser Vorfälle ist plötzlich Charlies Geruchsinn besser ausgeprägt als normalerweise und es erschließt sich ihm eine neue Welt, eine neue Leidenschaft.

An der Figur des Charlie gibt es einige Besonderheiten, genauso wie seine ganze Familie ziemlich besonders ist und auch sein Leben ist alles Andere als normal, erst recht, nachdem sein Großvater bei einem Jagdausflug von einem Wilderer erschossen wird und Charlie genötigt ist, die Geschehnisse etwas zurechtzurücken.

Das eiserne Herz des Charlie Berg ist ein sehr gewaltiger Roman, sprachgewaltig, opulent und ausschweifend. Auf über 700 Seiten schwelgt der Autor in seinen Worten und im Leben von Charlie, es gibt den Erzählstrang um die aktuellen Ereignisse und es gibt Rückblicke auf Begebenheiten aus Charlies Kindheit. Und was wir da so alles erfahren, eine Geschichte skuriler als die Andere. Skuril und teilweise überzogen sind auch die einzelnen Figuren, eigentlich gibt es im ganzen Buch keine halbwegs normale Person, jeder hat irgendwie einen Spleen, oder ist verkorkst. An sich mag ich es abgedreht, aber hier war mir einfach irgendwann von Allem zu viel. Der kiffende Vater, die egomanische Mutter, die autistische Schwester, der sexbesessene Freund und, und, und. Da schwirrt einem einfach irgendwann der Kopf, ich hatte stellenweise das Gefühl, der Autor hat einfach alle seine Ideen in ein Buch gepackt. Ideen, die locker für mehrere Romane gereicht hätten. Ich liebe Bücher mit vielen Seiten, mit viel Geschichte, aber hier habe ich mich bei einigen Passagen gefragt, wo der Lektor war, der den Rotstift ansetzt. 

Charlie Berg ist für mich eines dieser Bücher, das seine Leserschaft spaltet. Die Einen lieben es, die Anderen verstehen den Sinn dahinter nicht. Ich gehöre definitiv zu Letzteren. Ich verstehe tatsächlich nicht so richtig, was mir der Autor an bestimmten Stellen sagen will, allerdings bin ich auch kein Literaturstudent und möchte das Buch nicht auf einen tieferen Sinn hin analysieren. Was sich mir erschlossen hat ist, es geht um Familie, es geht um Freundschaft, es geht um Liebe und das erzählt der Autor sehr warm und sehr herzlich, aber es geht eben auch um so viel Abstruses, es ist wirr, immer zuviel, immer ein Tick drüber. 

Der Autor hat unbestreitbar eine oppulente Sprache, er schafft es einfach wunderbare Bilder und Stimmungen im Kopf zu erzeugen, er hat einen Hang zur Oppulenz und überzeichnet seine Figuren und deren Handlungen. Leider schafft er es aber auch, den Leser vollkommen verwirrt, planlos, kopfschüttelnd zurück zu lassen.

Unbedingt positiv ist das wunderschöne Cover zu erwähnen, eine Waldszene, die nicht nur den Schutzumschlag, sondern auch den Einband ziert und das Buch zu einem optischen Highlight macht.

Ein bisschen hat dieses Buch zwei Seiten, zwei Gesichter und ich für meinen Teil, schaffe es nicht, diese miteinander in Einklang zu bringen. In diesem Fall wäre vielleicht weniger mehr gewesen, meine großen Erwartungen wurden nur bedingt erfüllt.