Rezension

Von Bienen- und Menschenvölkern

Winterbienen - Norbert Scheuer

Winterbienen
von Norbert Scheuer

~~Winterbienen – Norbert Scheuer

Shortlist Deutscher Buchpreis 2019

"Der Lärm der Angriffe scheint den Bienen nichts auszumachen; sie leben in einer anderen, wie es scheint, friedlichen Welt, sie interessiert der Krieg nicht." Seite 192

Januar 1944, über der Eifel sind britische und amerikanische Bomber unterwegs. Zwar muss Egidius wegen seiner Epilepsie nicht an die Front, trotzdem ist er in diesen Zeiten gerade deshalb in Lebensgefahr. Zusätzlich bringt er sich auch noch durch seine Tätigkeit als Fluchthelfer jüdischer Flüchtlinge über die Grenze nach Belgien in große Gefahr.
Ist der Krieg in dem kleinen Ort anfangs eher als Hintergrundrauschen wahrnehmbar, lässt er sich bald nicht mehr verdrängen. Die Lage für Egidius spitzt sich zu, auch weil der zu allem Überfluss ein Verhältnis mit der Ehegattin des Kreisleiters eingeht.

Geschrieben ist dieses Buch in Tagebuchform, mit angenehm kurzen Abschnitten und umfasst etwas mehr als ein Jahr, von Januar 1944 bis Frühjahr 1945.

Dieser Roman fällt durch seinen extrem angenehmen und ruhigen Schreibstil auf. Wie schön, wenn ein Autor in einer klaren, schnörkellosen Sprache seine Geschichte erzählen kann, ohne zu glauben, irgendetwas Neues, provozierend Innovatives mit Sprache anstellen zu müssen. Scheuer schreibt auf den ersten Blick eher nüchtern und transportiert doch so viele Emotionen zwischen den Zeilen. 

Egidius führt ein recht einsames Leben und beschäftigt sich viel mit seiner Bienenzucht. Diese haben eine beruhigende Wirkung auf ihn, sind seine Rückzugszone. Generell wünscht er sich häufig einfach weg.
"In der Nacht träume ich, meine Bienen hätten mich gewärmt, hätten mich ganz umhüllt, und ich wäre ein Teil von ihnen geworden." Seite 198

Gerade die Bienen dienen als Grundlage für viele Metaphern und Kontraste die menschliche Gesellschaft betreffend. Das Summen der Bienen wird dem Brummen der Kriegsflugzeuge gegenübergestellt. Frieden gegen Krieg.
 "Aber Bienen sind nicht aggressiv,  sie würden niemals andere Völker erobern und sie unterjochen; sie sind friedfertig, wenn sie sich nicht angegriffen fühlen." Seite 19

Dass immer ein melancholischer Grundton mit dabei ist, ist kein Wunder angesichts der Umstände, in denen Egidius sich befindet, bzw. in die er sich selbst bringt. Das Kriegsgeschehen nimmt spürbar zu, es wird immer schwieriger, Medikamente zu bekommen. Die Stimmung wird bedrohlich, dieses Werk liest sich spannend wie ein Krimi.

Wie man im Anhang erfährt, beruht die Geschichte von Egidius auf wahren Begebenheiten. Ein entfernter Verwandter des Autors.
Ein wirklich verdienter Platz auf der Shortlist, ich hätte diesem Buch den Preis gegönnt!

 

Kommentare

wandagreen kommentierte am 25. Oktober 2019 um 10:19

ja, ich auch. Tiefer Seufzer. Während mich "Herkunft", das ich mit deutlich positivem Vorurteil zu lesen began, eher enttäuscht hat. /Und die Sprache, das stimmt absolut, einer, der keine Manieriertheiten nötig hat! Was die jungen Autoren nur allzu gerne machen, die Sprache neu erfinden.