Rezension

Von Datenkriegen und Einhörnern - abgedreht und großartig...

Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt - Haruki Murakami

Hard-Boiled Wonderland und das Ende der Welt
von Haruki Murakami

Bewertet mit 5 Sternen

Tokyo, ferne Gegenwart: Zwischen Wirklichkeit und virtueller Realität. Datendiebstahl ist an der Tagesordnung: Einem genialen greisen Wissenschaftler ist es gelungen, bei einer Gruppe professioneller Datenfälscher eine Gehirnwäsche durchzuführen. Er entnimmt ihnen Informationen, die er in Gehirne von unwissenden Versuchspersonen einspeist. Der 35-jährige Held und Ich-Erzähler ist der Einzige, der die Prozedur überlebt. Fortan versucht er, die dunklen Machenschaften des Professors mit allen Mitteln zu durchkreuzen...

Haruki Murakami - dieser Name geistert schon länger als Geheimtipp durch die Welt der Literatur. Gleichzeitig verstand ich nicht viel von dem, was aus den Rezensionen zu seinen Büchern herauszulesen war, es klang alles reichlich verwirrend.
Nun habe ich also auch mein erstes Buch von Murakami gelesen und ahne, dass auch meine Rezension nicht zur Klarheit beitragen wird. Nur so viel vorweg: ich fand es wundervoll, abgedreht, großartig, spannend, poetisch, hinterfragend, strotzend vor Phantasie, mitreißend, in den Bann ziehend, überaus originell, skurril und vollkommen faszinierend. Selten, dass ich einem Buch solche Attribute zukommen lasse...

Die Handlung findet in diesem Buch auf zwei Ebenen statt; die Kapitel spielen jeweils abwechselnd in diesen beiden Welten.
Die eine, Hard-boiled Wonderland, befindet sich im Tokyo der fernen Gegenwart. Der 35jährige Ich-Erzähler, ein Kalkulator, gerät in Schwierigkeiten, nachdem er für einen brillianten Professor in einem streng geheimen Projekt Daten "geshuffelt" hat - (zur Erläuterung dieses Begriffes lese man das Buch). Verfeindete Organisationen versuchen, an die kostbaren Daten heranzukommen, und damit beginnt eine atemberaubende Verfolgungsjagd.
Die andere Ebene heißt "Das Ende der Welt", und die Unterschiede zu "Hard-boiled Wonderland" könnten kaum größer sein. Diese Welt besteht im Grunde aus einer Stadt, die von einer hohen Mauer umgeben ist und die niemand verlassen kann. Das beschauliche und sorgenfreie Leben dort hat allerdings ihren Preis: Die Menschen verlieren mit der Zeit ihre Seele. Der namenlose Protagonist dieser Ebene nimmt dort die Arbeit des "Traumlesers" auf, ohne zunächst zu wissen, was diese Tätigkeit bedeutet.

Mehr zum Inhalt zu erzählen würde m.E. bedeuten, zu viel vom Geschehen zu verraten. Andererseits lässt sich das Geschehen auch nicht in ein paar Sätze komprimieren.
Es ist ein Buch, das anders ist als alles, was ich bislang gelesen habe. Ein Buch, das auch auf gar keinen Fall in irgendeine Schublade passt. Thriller, Drama, Poesie? Science Fiction, Utopie, Fantasy? Ja, von allem etwas - und noch viel mehr...

Von der ersten Seite an zieht das Buch den Leser in seinen Bann. Die Utopie der Geschichte nimmt dabei an keiner Stelle überhand. Murakami hält den Leser in der Realität, indem er bekannte Namen und Orte als Stilmittel zur Bodenhaftung anwendet, obwohl er eine Phantasiewelt beschreibt.
Der Roman entwickelt eine spannende, mystische Atmosphäre. Zwei scheinbar zusammenhanglose Geschichten werden zu einer tiefgründigen Geschichte verwoben, wobei immer wieder auch philosophisch-ethische Fragestellungen einfließen, ohne dabei dominant in den Vordergrund gerückt zu werden. Und alles ist eingebettet in die teilweise sehr poetische und dichte Sprache des Schriftstellers.

Es lohnt sich in jedem Fall, in die fremden Welten des Haruki Murakami einzutauchen und wie Alice im Wunderland mit offenen Augen auf Entdeckungsreise zu gehen.
Ein Erlebnis, das ich jedem wirklich ans Herz legen kann!

Und für mich werden ganz sicher noch weitere Bücher dieses Autors folgen...

© Parden