Rezension

Von der Ehre eines Halbgotts

Das Lied des Achill - Madeline Miller

Das Lied des Achill
von Madeline Miller

Bewertet mit 3 Sternen

Kurzmeinung: Ein wenig flach geraten hier und da - aber trotzdem gut lesbar!

Der Bekanntheitsgrad der Sage von Achill, dem Sohn einer Meeresgöttin und einer Sterblichen, einer Sage aus dem griechischen Mythologienzyklus, war früher geläufiger. Heute kennen viele Menschen griechische Mythologie nicht mehr. So ist es ein Verdienst der Autorin, die auch den Roman „Circe“ geschrieben hat, diese Sagengestalten wieder mehr ins Bewusstsein zu holen. Ein Bildungsauftrag, sozusagen, dem die Autorin nachkommt. 

Beim Lied des Achill nimmt sich die Autorin (natürlich) manche Freiheit heraus. Achills Freund und Gefährte Patroklos ist sowohl der Erzähler als auch Geliebter. Noch über den Tod hinaus verlieht ihm die Autorin eine Stimme, was ein wenig befremdlich ist. Eine weitere Erzählperspektive hätte dem Roman mehr Spannung verliehen und noch andere Nuancen und Zuspitzungen möglich gemacht. So ist die Erzählung mit der Zeit recht monoton und flacht gelegentlich ab.

Die Autorin macht ihre Sache ansonsten ganz gut. Man kann sich die beiden jungen Männer, Patroklos und Achill, auf die sich die Erzählung konzentriert, plastisch vorstellen. Ihre Probleme, die aus den Sitten und Gebräuchen jener Zeiten resultieren, sind ein wenig anders als die Probleme heutiger Jugend. Da belasten Prophezeihungen, da lasten Erwartungshaltungen, da wird Aussehen und Ansehen das wichtigste Gut. Und Ehre steht beständig auf dem Prüfstand. 

Die Zeitumstände, Sklaven sind keine Menschen, mit Kriegsbeute kann man machen, was man will, ein erschreckendes Frauenbild, transportiert Miller überzeugend. Ihre Sprache ist der altertümlichen und ein wenig überbordenden Wortwahl von Märchen und Legenden angepasst und insoweit stimmig. 

Nach einer Weile fallen Wiederholungen auf, die besorgte Göttermutter Thetis mit ihrer furchterregenen Aura, erscheint einige Male zu viel aus dem Nichts, das blonde fliegende Haar Achills und seine bronzene Haut gingen mir allmählich „on nervs“, und im Krieg in Troja, vermisste ich Strategisches. Ein wenig mehr zu den Nebenfiguren hätte das Buch auch vertragen, das immer wieder Gefahr läuft im persönlichen Schnickschnack von Patrokles und Achill zu verlaufen. Ein Blick in die belagerte Stadt, eine Innensicht, wäre reizvoll gewesen, möglicherweise der Blick von Helena, der Person, um die es ging?

Fazit: Alles in allem ist „Das Lied des Achill“ für jemanden, der die Sage nicht kennt, nett geschrieben und informativ, doch die Erzählperspektive ist eng und macht den Roman eintönig, wenn nicht gar mit der Zeit flach, weil es Seite um Seite um die homosexuelle Seite Achills geht und der Krieg gegen Troja sich auf das beschränkt, was jeder Krieg mit sich bringt: Kriegsgräuel. 

Kategorie: Märchen und Legenden
Eisele Verlag, 2020