Rezension

Von der Macht der Worte, die zerstören oder Leben retten

Die Bücherdiebin, Das Buch zum Film
von Markus Zusak

Der Tod sammelt die Seelen der Verstorbenen ein und trägt sie fort. Im Zweiten Weltkrieg in Deutschland hat er mehr zu tun als ihm lieb ist. Als der Tod den kleinen Werner Meminger zu sich holt, trifft er dessen neunjährige Schwester Liesel zum ersten Mal. Das Mädchen fasziniert ihn, er beobachtet sie und wird so zum Erzähler ihrer turbulenten Geschichte.

Der Roman „Die Bücherdiebin“ des australischen Jugendbuchautors Markus Zusak beginnt 1939, mit der Beerdigung von Liesels kleinem Bruder, bei der das Mädchen ein Buch stiehlt. Liesels Mutter bringt sie zu Pflegeeltern in den kleinen bayrischen Ort Molching, wo das Kind den Zweiten Weltkrieg erlebt. Rosa und Hans Hubermann sind einfache, arme Leute, die einen rauen Umgangston pflegen. Mit Hilfe ihres Pflegevaters und dem Nachbarsjungen Rudi lebt sich Liesel in ihrer Umgebung ein. Nach einem Alptraum entdeckt Hans Hubermann das gestohlene Buch und unterrichtet Liesel im Lesen. Bücher werden für Liesel zum Zufluchtsort und wertvollsten Besitz. Im Laufe der Geschichte stiehlt sie noch weitere Bücher oder bekommt sie geschenkt. Ein Buch kann sie aus der schwelenden Asche einer Bücherverbrennung retten. Als die Hubermanns den Juden Max Vandenburg in ihrem Keller verstecken, wird das schwierige Leben der kleinen Familie auch gefährlich.

Markus Zusak erzählt in seinem vielschichtigen Roman „Die Bücherdiebin“ von Liesels Liebe zu Büchern, zu ihrem Pflegevater und zu Rudi. Der Leser erfährt die Lebensgeschichte der jüdischen Familie Vandenburg und vom Leben in einer Kleinstadt im Dritten Reich. Markus Zusak berichtet eindrucksvoll von der Macht der Worte, die zerstören, Leben retten oder zur Zuflucht werden können.

Der Autor nennt „Die Bücherdiebin“ sein bisher persönlichstes Buch. Seine Eltern haben den Zweiten Weltkrieg in Süddeutschland erlebt und ihm und seinen Geschwistern von den Bombennächten und dem Leben im Dritten Reich erzählt. „Die Bücherdiebin“ ist nicht die Geschichte seiner Eltern, aber der Roman enthält Begebenheiten und Episoden, die seine Eltern so erlebt haben. Besonders schockiert hat Markus Zusak, dass Kinder, die versuchten Gefangenen auf Transporten Brot zuzustecken, von den SS-Männern ebenso verprügelt wurden wie die Gefangenen selbst. Diese Episode wird zum Anlass für seinen Roman.

„Die Bücherdiebin“ ist als Jugendbuch für Heranwachsende ab zwölf Jahren geeignet, da Markus Zusak einerseits als junger Australier den nötigen Abstand zu den Ereignissen hat und kaum Kenntnisse über das Dritte Reich voraussetzt. Auf der anderen Seite hat er durch die Erzählungen seiner Eltern und durch eigene Recherchen ein Gefühl für die Stimmung in Deutschland in dieser Zeit entwickelt. „Die Bücherdiebin“ wurde von Alexandra Ernst aus dem Englischen übersetzt, dabei gelingt es ihr sehr gut, den lakonischen und stellenweise sehr witzigen Ton des Originals zu übertragen.

Der Roman erzählt die Geschichte aus der Perspektive eines heranwachsenden Mädchens ohne ins Naive abzugleiten und gibt den bedrückenden Ereignissen viel Raum für ausgesprochen humorvolle Situationen. Markus Zusaks Figuren sind teilweise sehr idealisiert, so ist die Person des fürsorglichen Hans Hubermann zu perfekt, fast kitschig, die bösen Nazis sind geradezu stereotyp und die sprechenden Namen der Menschen und Straßen recht platt. Diese Schwäche des Romans wird jedoch hervorragend durch den Tod als Erzähler der Geschichte ausgeglichen. Der sarkastische Ton des Seelensammlers unterstreicht die Absurdität der Ereignisse und gewährt eine neue Perspektive auf die Geschichte. „Die Bücherdiebin“ ist in einer sehr schönen, teilweise poetischen Sprache geschrieben. Erwachsene Leser werden nicht das Gefühl haben, einen Jugendroman zu lesen. Jede Generation wird das Buch auf ihre Weise lesen und unabhängig vom Alter tief berührt sein.

Das Buch erscheint in zwei verschiedenen Ausgaben, als Jugendbuch und als Ausgabe für Erwachsene. Beide Bücher sind im Inhalt vollkommen identisch, sie unterscheiden sich nur in der Gestaltung des Einbandes. Leider sind die Gestalter des Erwachsenenumschlages nicht sehr sorgfältig gewesen: Der Tod in dem Buch „Die Bücherdiebin“ stellt klar, dass er keinen Totenschädel hat und nur selten einen Mantel mit Kapuze trägt. „Wollt Ihr wissen, wie ich wirklich aussehe? Ich sage es euch. Schaut in einen Spiegel.“ Somit ist ein Gerippe im Kapuzenmantel auf dem Einband des Buches keine gute Wahl.

„Die Bücherdiebin“ ist eine fiktive Geschichte aus einer dunklen Zeit, in der sehr viel Wahrheit zu finden ist!