Rezension

Von der Rettung einer Kleinstadt - oder geht es doch wieder nur um das Eine?

Hard Land -

Hard Land
von Benedict Wells

Bewertet mit 3.5 Sternen

In diesem Sommer verliebte ich mich, und meine Mutter starb.

Sams große Liebe Kirstie sammelt erste Romansätze wie diesen, der im Prinzip auch schon gut umreißt, worum es in diesem Roman geht. Sam, der weiß, dass das Leben seiner Mutter, zu der er eine gute, intensive Beziehung hat, am seidenen Faden hängt, fängt in diesen Sommerferien an, im Kino zu jobben und gerät so in den so sympathischen wie ungewöhnlichen Freundeskreis von Kirstie, Cameron und Hightower. Gemeinsam verbringen die vier ihre Freizeit und schlagen dabei auch mal ganz gehörig über die Stränge. Kiffen, viel Alkohol und grenzwertige Mutproben gehören bei dieser Gruppe zum unerlässlichen Inventar des Erwachsenwerdens. Dass ich bei dieser schalen Vorgabe nicht nach der Hälfte abgebrochen habe, liegt an dem wunderbaren einfühlsamen Stil des Autors Benedict Wells, dessen „Vom Ende der Einsamkeit“ mich erst neulich mitgerissen hat. Diesmal gelang ihm das nicht durchgehend. Begeistert hat mich nach wie vor Wells‘ feine Beobachtungsgabe; Spaß gemacht hat mir sein immer wieder durchblitzender trockener Humor. Die Charaktere sind liebevoll gezeichnet, und am Ende hat man eigentlich jeden gern, obwohl Kirstie immer mehr einen Hang zur unverhältnismäßigen Theatralik entwickelt. Mir gefallen die kurzen knackigen Kapitel (neunundvierzig an der Zahl, und damit hat es durchaus eine besondere Bewandtnis).

Teilweise schreibt Wells geniale Sachen, aber nicht immer ist sein Stil so makellos präzise, wie ich es von ihm gewohnt war. „Ich war wieder mal spät vom Kino nach Hause gekommen und ihm im Flur begegnet; angetrunken und etwas bekifft.“ Wer jetzt? Sam oder sein Vater? Oder vielleicht der Autor? Und was in aller Welt soll dieses Semikolon?

Was ich aber überhaupt nicht abkann, ist dieses alptraumhafte „Etwas Schlimmes wird passieren.“ Romane, die solch eine self-fulfilling-prophecy-Automatik im Bewusstsein der Leser verankern, machen mich skeptisch. Obwohl ich solche wie nebenbei angekündigten Katastrophen beim „Ende der Einsamkeit“ noch stimmig, ja irgendwie genial eingeflochten fand, aber hier nervt es doch allmählich etwas. Dabei ist dieser Roman ansonsten über weite Strecken ziemlich cool. Ich mag dieses dramatische Understatement von Sam, diese lakonischen Kommentare über seine verzweifelte Lage. Was ich nicht mag, ist, dass ein armer verklemmter Junge erst Freunde und die Liebe findet, wenn er sich hemmungslos betrinkt. Bangend erwartete ich bei der Lektüre immer noch irgendeine üble Moral von der Geschicht‘ - auch sowas mag ich überhaupt nicht - aber nein, so etwas schreibt diese Generation auch nicht mehr, eher gibt es dann schon gar keine Moral - das mag ich noch viel weniger.

Wells kann was, ohne Frage. Vieles hat mir gefallen in dieser Erzählung, plötzliche Momente der Wärme, überraschende Wendungen, der liebevolle, barmherzige Umgang des Autors mit seinen Charakteren, seinem Protagonisten und damit auch ein bisschen mit sich selbst. Dafür schätze ich ihn. Aber thematisch hat er sich hier auf sehr dünnes Eis begeben, das nicht wirklich trägt.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 09. April 2021 um 00:05

Hmhm, zwar aus anderen Gründen, aber im Ergebnis gleich. Schlaf wohl, Arbutili.