Rezension

Von Liebe und Verlust

Für alle Tage, die noch kommen
von Teresa Driscoll

Bewertet mit 3 Sternen

"Für alle Tage, die noch kommen" (im Original Recipes for Melissa) ist der Debütroman der englischen Nachrichtensprecherin und Journalistin Teresa Driscoll. Melissa Dance erhält von dem Rechtsanwalt James Hall ein Buch ausgehändigt, das er seit vielen Jahren für seine Mandantin Eleanor Dance in Verwahrung hat. Nach dem Wunsch von Eleanor soll es ihrer Tochter Melissa an ihrem 25. Geburtstag ausgehändigt werden. Zuvor soll sich der Anwalt vergewissern, dass es ihr und ihrem Vater gutgeht. Ihr lag damals sehr am Herzen, dass es ihrer Tochter Trost spendet, und gleichzeitig soll es ihr ein Ratgeber fürs Leben sein. Es enthält Rezepte, die von Generation zu Generation weitergegeben werden, Erinnerungen an die Zeit, die sie mit Melissa und ihrem Vater Max verbracht hat. Eleanor wollte nicht, dass Melissas Kindheit durch die Krebserkrankung belastet wird. Einen Abschied kann und wird es nicht geben. "Du bist acht Jahre alt - du schläfst in deinem Prinzessinnenschlafanzug im Nebenzimmer, ... Ich kann dir das einfach nicht antun." (S. 12) Deshalb hat sie beschlossen, dieses Buch zu schreiben. Melissa erhält an ihrem 25. Geburtstag auch einen Heiratsantrag von ihrem Freund Sam. Beide kennen sich seit Kindertagen und seitdem steht für ihn fest, dass er sein Leben mit Melissa verbringen möchte. Später will er Kinder haben. Melissa lehnt seinen Heiratsantrag ab, obwohl sie ihn von ganzem Herzen liebt. Ein gemeinsamer Urlaub auf Zypern steht bevor. Und da ist noch das Buch ihrer Mutter, von dessen Existenz sie weder Sam noch ihrem Vater etwas erzählt. Es versetzt Melissa in eine Art Schockzustand, denn den Tod ihrer Mutter hat sie bis heute nicht verarbeiten können; sie hat ihn verdrängt. Erinnerungen werden wach, alte Wunden brechen auf und bringen Melissa vollkommen durcheinander.

"Für alle Tage, die noch kommen" spielt einmal im Jahr 1994, dem Jahr, wo Eleanor von ihrer Krebserkrankung erfährt, und in dem sie auch stirbt und zum anderen im Jahr 2011. Melissa ist Journalistin geworden, ihr Vater hat sich zum Dekan einer Fakultät hochgearbeitet. Über dem ganzen Roman liegt Traurigkeit. Der Leser begleitet Eleanor vom Ausbruch ihrer Krankheit bis zu ihrem Tod, erzählt von ihrer großen Liebe zu ihrer Tochter und ihrem Ehemann. Was Eleanor ihrer damals kleinen Tochter nicht sagen konnte, erfährt diese nun als Erwachsene. Melissa verschließt sich nicht nur gegenüber ihrem Vater. Sie ist auch nicht bereit Sam zu heiraten und eine Familie zu gründen. Was mir nicht gefallen hat, ist die Heimlichtuerei der gesamten Familie. Eleanor verschweigt vor ihrem Mann, dass sie ein Erinnerungsbuch für Melissa schreibt. Melissa erzählt ihrem Freund anfangs nichts von dem Buch, und auch ihren Vater weiht sie erst später ein. Zu lesen bekommt er das Buch nicht, weil noch etwas drinsteht, das er nie erfahren soll. Die Autorin hat vier unveröffentlichte, von den Verlagen abgelehnte Romane in der Schublade. "Für alle Tage, die noch kommen" stieß dagegen auf großes Interesse. Bei der Frankfurter Buchmesse versuchten mehrere deutsche Verlage, das Manuskript zu ersteigern. Teresa Driscoll hat hier ein Thema gewählt, über das sie bestens Bescheid weiß, weil sie selbst als junges Mädchen ihre Mutter verlor und die Erfahrung von Liebe und Trauer und ihre Überwindung machen musste. Der Roman wirkt zwar sehr authentisch, ist aber bewusst nicht autobiografisch. Bei der Lektüre der Rezepte kann der durch das Thema traurig gestimmte Leser zeitweise aufatmen. Am Ende steht die Hoffnung, dass das Leben auch nach einem großen Schmerz weitergeht. Manches an der Geschichte empfinde ich als widersprüchlich und kann es nicht so recht nachvollziehen. Ein teilweise berührender Roman, der mich jedoch nicht völlig überzeugt.