Rezension

Von Markenklamotten zu Markenmenschen

Unter Markenmenschen - Birgit Rabisch

Unter Markenmenschen
von Birgit Rabisch

Bewertet mit 3 Sternen

Das Buch “Unter Markenmenschen” der Autorin Birgit Rabisch erschien bereits 2002 und wurde 2020 im Verlag duotincta neu aufgelegt. Auf 150 Seiten konfrontiert uns die Autorin mit der Realität von Markenmenschen – im Gen-Design-Labor kreirte Menschen und Klone stehen auf der einen Seite der zwei Klassengesellschaft, auf der anderen die wildwüchsigen “No names”. Aus Sicht der nicht gentechnisch optimierten Simone erfahren wir in Tagebucheinträgen ihre persönlichen Erlebnisse und Konflikte mit dieser modernen Weld und dem Erwachsenwerden.

Das Buch und insbesondere das Thema haben bei mir bereits vor dem Lesen sehr hohe Erwartungen geweckt. Die Hauptprotagonistin Simone wächst als nicht gen-manipulierte in einer Gesellschaft unter Markenmenschen auf. Beispielsweise auch ihr Bruder Benjamin, der sie aufzieht, ist genmanipuliert. Die Autorin findet durch Tagebucheinträge, mit denen Simone ihre Erfahrungen und Erlebnisse wiedergibt, ein sehr gutes Instrument, uns teilhaben zu lassen. Besonders gelungen finde ich, dass Benjamin gleichzeitig Doktorvater einer Promotion über die Diskriminierung behinderter Menschen in der alten Welt ist. Hier werden wir Zeuge unterschiedlicher Gedanken zur Ethik der modernen Klassengesellschaft.

Der inhaltliche Rahmen beschäftigt sich dann allerdings sehr schnell mit Themen der sexuellen Selbstfindung. Leider hat das dann nur noch am Rande etwas mit der Thematik der Markenmenschen zu tun und das Thema der Markenmenschen wirkt für mich manchmal fast schon austauschbar. Auch in unserer heutigen Gesellschaft kann ich mir die Erzählung in der Form vorstellen, nur halt in einem etwas anderen Setting. Auch die Auflösung fand ich leider etwas zu vorhersehbar.

Das Buch liest sich wirklich gut und hat viel Spaß gemacht. Insbesondere den Schreibstil der Autorin finde ich sehr gut, allerdings wurden meine Erwartungen in Bezug auf Genmanipulation nicht erfüllt. Hier wirkt das Buch für mich so, als ob zwei Erzählstränge präsentiert werden, auf der einen Seite das Setting der Markenmenschen und auf der anderen, die sexuelle Selbstfindung und die Liebe zweier Menschen aus unterschiedlichen Klassen. Leider tritt die für mich eigentliche Thematik der Genmanipulation schnell in den Hintergrund. Auch die Gesellschaftskritik konzentriert sich zu sehr auf Offensichtliches wie die Reduktion auf die Ästhetik und damit das perfekte Design im Sinne der Optik.  Hier sehe ich noch so viel mehr Potential, dass aktuell nicht ausgeschöpft ist.

Ein tolles Buch, dass man definitiv gelesen haben sollte. Es hat auch bei uns zuhause zu vielen Diskussionen geführt. Die Gesellschaftskritik ist bereits jetzt eins-zu-eins anwendbar und braucht nicht erst eine Gesellschaft, die von Markenmenschen angeführt wird.