Rezension

Von Menschen, Bienen und wie alles zusammenhängt

Die Geschichte der Bienen - Maja Lunde

Die Geschichte der Bienen
von Maja Lunde

Bewertet mit 5 Sternen

Ein kluger Roman mit liebenswerten Charakteren, der, ohne erhobenen Zeigefinger, auf die ökologischen Gefahren unserer Zeit verweist.

“In den ersten Tagen an einem neuen Ort verhalten die Bienen sich ruhig. Sie halten sich überwiegend drinnen auf, in ihrem Zuhause. Dann unternehmen sie kleinere Ausflüge, um die Umgebung zu erkunden. Und allmählich werden die Ausflüge länger. Am dritten Tag legten sie richtig los, an allen Ecken und Enden summte es.” (Die Geschichte der Bienen, S. 183-184) 

Kurz und knackig 

William, George und Tao. Drei Menschen in drei Jahrhunderten, die sich aus unterschiedlichen Gründen mit den Bienen auseinandersetzen. Jede*r mit dem Blick seiner Zeit und aus ganz unterschiedlichem Antrieb. Sie alle wirken für sich und dennoch sind sie alle miteinander und dem Wohl der Menschheit verbunden. 

Mein Leseerlebnis

Der Roman DIE GESCHICHTE DER BIENEN umfasst drei Erzählstränge, die sich kapitelweise abwechseln. Jeder Erzählstrang ist einer der drei Hauptpersonen gewidmet und sie sind alle in der Ich-Perspektive verfasst. Das führt dazu, dass die Leser*innen von Kapitel zu Kapitel wieder in eine andere dieser Personen schlüpfen müssen. Maja Lunde wirft die Leser*innen dabei mitten ins Geschehen, sodass ich, von der ersten Seite an, durch die Augen der drei Protagonisten gesehen und mich bei jedem Wechsel gespannt auf die Fortsetzung gefreut habe. Bis zuletzt gelingt es Maja Lunde die drei Spannungsbögen aufrechtzuerhalten. 

Besonders fesselnd finde ich den Umstand, dass die drei Stränge zu drei verschiedenen Zeiten und in drei verschiedenen Kulturen spielen. William, ein Naturkundler und Möchtegern-Erfinder, lebt in der Mitte des 19. Jahrhunderts in England, George ist Farmer in Ohio zu Beginn des 21. Jahrhunderts und Tao ist eine Bestäuberin in China am Ende des 21. Jahrhunderts. Sie alle verbindet die Beschäftigung mit den Bienen. Der Roman vereint somit Aspekte der Genres Historie und Science-Fiction, was das Lesen sehr abwechslungsreich macht. Die Grundstory bleibt dabei aber völlig glaubwürdig und logisch. 

Der Roman ist leicht zu lesen und ein echter Pageturner. Dadurch, dass mich alle drei Geschichten fesselten und ich immer wissen wollte, wie es weitergeht, habe ich die knapp 400 Seiten (ebook) in wenigen Stunden verschlungen. Maja Lunde bindet verständlich und anschaulich viele Informationen rund um das Thema Bienenzucht ein. Dass die Zukunft der Menschheit auch von diesen kleinen Tierchen abhängig ist und wir unsere Lebensweisen anpassen müssen, damit wir gemeinsam überleben, wird den Leser*innen ganz ohne erhobenen Zeigefinger oder moralisierende Aufrufe aus der Handlung heraus deutlich.  

Die Charaktere sind lebendig ausgestaltet und hätten das Potential eigene Romane zu füllen. Es spricht für Maja Lundes schriftstellerisches Talent, ihren Protagonist*innen auf nur wenigen Seiten eine außergewöhnliche Dichte und Lebendigkeit zu verleihen.  

Am meisten hat mich die Geschichte von Tao aus der Zukunft mitgerissen. Ob es an meiner Liebe zu Science-Fiction liegt, oder daran, dass ich mich als Frau am besten in Tao hineinversetzen konnte, kann ich gar nicht genau sagen. Das dystopische Bild einer armen, von Hunger geplagten, Gesellschaft, bei der die relativ wenigen Pflanzen von Hand bestäubt werden müssen und für das Schlachtvieh kein Futter mehr zur Verfügung steht, ist einerseits bedrückend und andererseits naheliegend und vorstellbar. Besonders schön finde ich die Idee, dass nicht eine neue technologische Erfindung die Lösung bringt, sondern das Wissen eines alten Buches aus der Zeit, in der es noch Bienen gab. 

Fazit: ⭐⭐⭐⭐⭐ 

DIE GESCHICHTE DER BIENEN ist ein kluger Roman über die Menschen, die Bienen und wie alles in einem ökologischen Gleichgewicht zusammenhängt. Dabei verzichtet er auf Schuldzuweisungen oder den erhobenen Zeigefinger. Vielleicht gelingt es gerade deswegen, dass die wichtige Frage bleibt: Welche Rolle spiele ich in diesem Gefüge?