Rezension

Von menschlichen Tieren und tierischen Menschen

Sprich mit mir
von T.C. Boyle

Bewertet mit 4 Sternen

T.C. Boyle konnte mich mit seinen Romanen bisher immer fesseln und zum Nachdenken anregen. So auch mit seinem neusten Werk "Sprich mit mir".
Das Buch hatte mich besonders angesprochen, da ich erst vor kurzem auf Videos bei Youtube gestoßen bin, in denen ein Gorilla namens Koko gezeigt wurde. Koko konnte sich nämlich per Gebärdensprache mit Menschen unterhalten. Auch der Schauspieler Robin Williams stattete Koko einen Besuch ab und "unterhielt" sich mit ihm. Ich war sehr fasziniert davon und war demnach auch begeistert als ich erfuhr, dass T.C. Boyle sich diesem Thema in seinem neuen Roman widmet. Man ist es ja gewöhnt von ihm, dass er auf sehr gekonnte Weise reale Begebenheiten mit fiktiven Elementen vermischt. Meiner Meinung nach ist ihm das auch hier wieder gut gelungen.

Zu Beginn lernen wir die Studentin Aimee kennen. Sie ist keine wirklich ambitionierte Studentin. Sie prokrastiniert ziemlich viel, ernährt sich ungesund und scheint absolut keine Motivation mehr für ihr Studium zu haben. Schließlich sieht sie im TV den Schimpansen Sam und ist sofort fasziniert von ihm. Er kann sich nämlich mittels Gebärdensprache verständigen. Betreut und gepflegt wird Sam von dem Professor Guy Schemerhorn, der zufällig an Aimees Universität lehrt und forscht und gerade auf der Suche nach studentischen Hilfskräften ist, die sich um Sam kümmern sollen. Aimee bewirbt sich bei ihm und wird auch genommen. Von Beginn an ist da eine ganz besondere Verbindung zwischen Sam und Aimee. Doch schließlich sieht Donald Moncrief, der Vorgesetzte von Guy Schemerhorn, keine Zukunft mehr in diesem Projekt und möchte Sam loswerden. Aimee ist mittlerweile aber emotional so sehr involviert, dass sie alles daransetzt, dies zu verhindern.

Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven erzählt. Auch Sam kommt dabei zu Wort, was ich außerordentlich gelungen fand. So konnte ich als Leserin auch viel besser eine Verbindung zu Sam aufbauen und er kam mir dadurch auch menschlicher und näher vor. Aimee hingegen fand ich manchmal etwas nervig. Einige Entscheidungen und Handlungen ihrerseits konnte ich nicht so ganz nachvollziehen und manchmal hätte ich sie gerne geschüttelt, um sie wieder zur Vernunft zu bringen. Die Verbindung zwischen Aimee und Sam hat T.C. Boyle aber sehr schön dargestellt und beschrieben. Auch ich habe während des Lesens oftmals vergessen, dass es sich bei Sam um einen Schimpansen handelt. Mir ging es da also an vielen Stellen genauso wie Aimee. Ich habe Sam im Laufe der Geschichte einfach unheimlich lieb gewonnen und auch total mitgefiebert, ob Aimee es schafft, Sam zurückzuholen und die Pläne von Moncrief zu durchkreuzen.

Das Buch beinhaltet vielfältige Themen, über die man auch nach Beenden der Lektüre noch wunderbar nachdenken kann. Es geht um die Beziehung zwischen Menschen und Tieren. Es geht darum, ob Tiere nicht in einigen Bereichen sogar menschlicher sind als wir Menschen. Es geht um das Menschliche in Tieren und gleichzeitig um das Tierische im Menschen. Boyle schlägt dabei aber nie einen belehrenden oder moralisierenden Ton an. Er überlässt es dem Leser, sich seine eigene Meinung zu bilden.

Für mich war es wieder ein sehr gelungener Roman aus der Feder von T.C. Boyle. Ein kurzweiliges Buch, was aber trotzdem tiefgehende Themen und Problematiken anspricht. Leseempfehlung!