Rezension

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Von menschlichen und nicht-menschlichen Tieren

Das Vogelhaus - Eva Meijer

Das Vogelhaus
von Eva Meijer

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Buch mit Herz, Verstand und Seele

Eva Meijer erzählt in diesem Roman die außergewöhnliche Lebensgeschichte der britischen Vogelforscherin Len Howard. Sie vermischt dabei gekonnt biografische Fakten mit der fiktiven Erzählung von Lens Lebensweg. Gleichzeitig vermittelt sie auf faszinierende Weise Lens Zusammenleben mit den Vögeln, ihre Forschungsmethoden und -ergebnisse.

Howard wächst zunächst um die Jahrhundertwende in einer wohlhabenden Familie mit mehreren Geschwistern auf. Vor allem ihr Vater prägt sie, der seine Liebe zu Vögeln an seine Tochter weitergibt. Das Anwesen der Howards dient zudem als kultureller Salon – Malerei, Dichtung, Musik spielen eine große Rolle im Leben der Familie. Früh zeigt sich, dass Len ihren eigenen Weg geht. Statt sich einen passenden Ehemann zu suchen, zieht sie volljährig nach London um in einem Orchester Geige zu spielen. Ein mutiger Schritt für eine Frau ihrer Zeit, den ihr zudem vor allem ihre Mutter und Schwester übelnehmen. Mit den Jahren findet Len dann jedoch immer weniger Erfüllung in der Musik und der lauten Großstadt. Noch einmal krempelt sie ihr Leben komplett um und kauft sich ein Cottage in einer einsamen Gegend Südenglands – das berühmte Vogelhaus, in dem sie bei Wind und Wetter Fenster offenlässt, so dass die Vögel hereinkommen können, im Haus spielen, nisten, mit ihr schmusen.

Diese sehr besondere Wohnsituation und die entstehende enge Beziehung zu den Tieren ermöglicht ihr einzigartige Einblicke in die Fähigkeiten von Vögeln. In einer durch den Behaviorismus geprägten Zeit, in der Verhaltensforschung vorwiegend aus Reiz-Reaktions-Tests im Labor bestand, war dies eine revolutionäre Herangehensweise.

Mehr und mehr wird Len dabei jedoch zu einer menschenscheuen Einsiedlerin. Ihre gefiederten Freunde stehen für sie an erster Stelle, die immer viel zu lauten Menschen nimmt sie nur mehr als Störung wahr. Meijer beschreibt diesen Prozess so empathisch, dass er für mich nachvollziehbar war. Die Autorin bewertet auch nicht, konstruiert Lens Lebensweg also nicht etwa in der Art, dass sie für die Vogelforschung ihre Chance auf eine Familie geopfert hätte. Len geht ihren Weg, der sicher nicht für jedermann geeignet ist – aber es ist eben ihr Weg. Mich hat beeindruckt, wie dieses Buch die Individualität menschlicher wie nicht-menschlicher Tiere vermittelt. Auch passt der Schreibstil sehr gut zum Inhalt des Buchs – eine ruhige, behutsame Sprache, die Lens Umgang mit den Vögeln widerspiegelt.