Rezension

Von Müttern und Wurzeln

Altes Land - Dörte Hansen

Altes Land
von Dörte Hansen

Bewertet mit 5 Sternen

Bei Stade, im alten Land, da gehen die Uhren anders. Da pflegt man Traditionen, Dünkel und Obstbäume, hält Haus und Garten schier und wenn etwas nicht ins Bild passt, dann guckt man am Besten nicht hin.

Die alte Vera passt so gar nicht ins Bild, bei ihr ist gar nichts schier. Kein Wunder, ist sie doch im Krieg mit ihrer Mutter aus Polen gekommen. Ein Flüchtlingskind. Heimatlos. Fremd. Sie hat sich einen Platz in dieser Welt erkämpft, sogar ein Haus geerbt, das schon lange dort steht, nur passt es ihr nicht so recht, dieses Haus.
Heinrich ist ein Urgestein in dieser Gegend. Haus und Hof sind vorbildlich, nur freut sich keiner mehr daran, seit seine Frau gestorben ist und seine Söhne weggezogen sind.
Und dann kommt Anne, Veras Nichte, deren Mann sie verlassen hat, deren Mutter sich lieber um Annes Bruder kümmert, weil er begabter ist…
Man taucht ein in das dörfliche Leben im alten Land, lernt skurrile Typen jeder Couleur kennen und blickt ein wenig hinter die Kulissen. 

Mit viel Humor und genialem Wortwitz erzählt Dörte Hansen hier eine schwierige Familiengeschichte über drei Generationen. Man könnte sich köstlich amüsieren, wenn das Leben dieser drei Frauen nicht so wechselvoll wäre. Bisweilen bleibt einem da das Lachen im Halse stecken. Großmutter, Mutter, Enkelin, hier hat jeder sein Päckchen zu tragen. In Rückblenden quer durch ihr Leben kann man beobachten, wie sie die wurden, die sie sind. Manchmal kann man verstehen, warum Mütter Fehler begehen. Sie hatten auch eine Mutter, haben Wurzeln, und tragen weiter, was sie geprägt hat. Kann man sich von seinen Wurzeln lösen und anderswo Fuß fassen? 

All das steckt in diesem wunderbaren Buch. Es macht Spaß und auch sehr nachdenklich. Die Sprache ist herrlich süffisant, ein Balanceakt zwischen Poesie und derbstem Plattdeutsch.
Dörte Hansens Debütroman hat mich sehr begeistert. Ich hoffe, es gibt bald mehr von ihr zu lesen.