Rezension

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Nicht denken ist auch keine Lösung - Christoph Quarch

Nicht denken ist auch keine Lösung
von Christoph Quarch

Bewertet mit 5 Sternen

Immer diese Entscheidungen! Würde ich aus einem Buch mit rund 200 Seiten und der kleinen Silhouette einer Denkerfigur auf dem Cover etwas Neues über Entscheidungsprozesse erfahren können? Um in meiner persönlichen Frage vorwärts zu kommen, warum Menschen Rat suchen und wie der Wert von Ratschlägen einzuschätzen ist, habe ich das Zeitkapital dafür gern investiert.

Als Philosoph definiert Christoph Quarch zunächst den Begriff Entscheidung, warum wir Entscheidungen fällen müssen, ähnlich wie einen Baum, oder sie treffen und festhalten, damit sie nicht an uns vorbei rauschen. Er verdeutlicht die privilegierte Stellung der Menschen, die über die Freiheit und den Mut verfügen, um sich zu entscheiden. Um Entscheidungen zu treffen, sind zunächst Wertmaßstäbe nötig, auch Empathie und Takt. Meine Eingangsfrage nach dem Wert von Ratschlägen kleidet Quarch in ein Kostüm aus dem antiken Griechenland und fragt nach dem Orakel, das uns Orientierung geben könnte. Warum einige Menschen trotz allgemeiner Überforderung in einer Überflussgesellschaft genau zu wissen scheinen, was sie wollen, andere dagegen nicht, führt ihn zu der Frage: Wer bin ich und was will ich? Indem der Autor an zahlreichen Beispielen den Unterschied zwischen Kopf und Bauch, Geist und Seele, rational und irrational herausarbeitet, vermittelt Quarch im Grunde Schlüsselqualifikationen für Entscheider. Es geht hier nicht um Pro-und-Kontra-Listen, sondern z. B. um existenzielle Fragen der Partnerbeziehung oder der beruflichen Zukunft.

Im etwas umfangreicheren zweiten Teil des Buches geht es um Entscheidungshelfer, Methoden oder Werkzeuge, die Entscheidungsprozesse unterstützen könnten. Quarchs fiktive Probanden beantworten ihre Fragen, indem sie den Kopf frei bekommen, auf körperliche Signale hören, ihr Taktgefühl zu Worte kommen lassen, anderen zuhören oder vor einem entscheidenden Auftritt dafür proben. Auch Ratschläge vertrauter Personen werden als Werkzeug genannt, so dass ich tatsächlich den Bogen zur Gewichtung von Ratschlägen schlagen konnte.

Christoph Quarchs Text wirkt humorvoll und mit leichter Hand niedergeschrieben, dazu trägt auch ein für das Auge angenehmes Seitenlayout bei. Erstaunlich, welch ermunternde Wirkung allein durch einen kleinen Absatz in kontrastierender Schrifttype ausgelöst werden kann.

Können Sie persönlich vom philosophischen Ansatz des Autors und von den Denkern der Antike lernen? Das hängt davon ab, ob Sie sich auf das Menschenbild der Antike einlassen möchten (der Mensch als Gemeinschaftswesen im Gegensatz zum vereinzelten Konsumenten der Gegenwart) und den umfassenderen Bildungsbegriff (die Soft Skills) jener Zeit. Die nötige Achtsamkeit können die Denker der Antike sicherlich vermitteln, um für den eigenen moralischen Kompass zwischen den Kategorien menschliche Verbundenheit einerseits und Moral und Gesetz andererseits zu unterscheiden lernen.