Rezension

Von Sicherheit und Freiheit

Vront - Yves Grevet

Vront
von Yves Grevet

Bewertet mit 4 Sternen

Scott möchte frei sein. Er will seine Grenzen selbst bestimmen, kennenlernen und darüber hinweg steigen. Daher hat er die Widerstandsgruppe Vront gegründet, bei der sich ein Haufen Jugendlicher gegen ein dystopisches System stellt, das Leben sichert, indem es Lebendigkeit verwehrt. 

Die Geschichte beginnt allerdings mit Stan, Scotts jüngeren Bruder. Stan ist perplex, denn er hat niemals geahnt, dass sich sein Bruder der Vront - dem Widerstand - angeschlossen hat. Mittlerweile ist es zu spät, um ihn selbst danach zu fragen, weil Scott eine Gefängnisstrafe in der Jugendstrafanstalt verbüßt.

Deshalb nimmt Stan die Spuren des Bruders in der Schule und im Freundeskreis auf. Gemeinsam mit seinem besten Freund kommen sie dem Widerstand auf den Grund und spüren zum ersten Mal echte Lebendigkeit.

"Vront. Was ist die Wahrheit?" ist eine Mischung aus Dystopie und Agententhriller gesprenkelt mit Elementen eines Coming-of-Age-Romans im jugendlichen Stil.

Der dystopische Rahmen lehnt sich an den Elementen eines Polizeistaats an, wobei vor allem Jugendliche betroffen sind. Der Bewegungsradius ist eingeschränkt, Herzschläge werden überwacht, und sobald eine Situation den Hauch von Unsicherheit (gefährlich wird's schon gar nicht mehr) hat, greifen staatliche Bedienstete ein. 

Der Roman wird aus zwei Perspektiven erzählt. Zuerst lernt man Stan kennen, der den älteren Bruder verstehen will. In Anschluss an diesen Part bekommt man die Geschichte erneut von Scott erzählt, wodurch sich ein nachvollziehbares Gesamtbild ergibt.

Yves Grevet spricht in seinem Jugendroman ein wichtiges Thema an. Wie viel ist man bereit, für Sicherheit zu zahlen? Denn Sicherheit geht immer auf Kosten von Freiheit. Je mehr Verantwortung an den Staat abgegeben wird, umso begrenzter wird der eigene Horizont. Damit spricht mir der Autor aus der Seele, weil meiner Meinung nach niemals ein überhöhtes Sicherheitsbedürfnis allumfassend aufgedrängt werden darf. Es ist der einzelne Mensch, der für sich entscheidet - ohne vom Staat Schranken auferlegt zu bekommen.

Ähnlich ergeht es den Jugendlichen in diesem Roman, die von klein auf mit Grenzen konfrontiert sind. Selten dürfen sie sich selbst etwas zutrauen, ausprobieren oder einfach mal versuchen, ob sie der neuen beziehungsweise ‚gefährlichen‘ Situation gewachsen sind. 

Gleichzeitig zeigt Yves Grevet, wie ein einziger Fehltritt zum Sog wird. Mit einem ersten Verstoß, einer Gefängnisstrafe, fängt es an, und schon wirbelt das Karussell aus falschen Kontakten, die nachhaltig einwirken. Auch dieser Aspekt hat mir exzellent gefallen.

Untermauert ist das Geschehen von sanften - der jugendlichen Leserschaft entsprechenden - Krimi- und Triller-Elementen, die für zusätzliche Spannung stehen, mich als erwachsene Leserin jedoch nicht immer überzeugt haben. 

Die Erzählweise ist meinem Empfinden nach der Zielgruppe entsprechend. Das Buch wird für Leser ab 14 Jahren empfohlen, und die Worte sind dafür perfekt gewählt. Die Sprache ist einfach, ohne zu unterfordern, wobei die komplexe Handlung spannend und nachvollziehbar aufgebaut ist.

Insgesamt hat mir "Vront. Was ist die Wahrheit?" gut gefallen. Meiner Meinung nach sind die angesprochenen Themen überaus wichtig. Besonders junge Menschen sollten sich fragen, inwiefern Freiheit und Sicherheit ausbalanciert sind. Denn immer wieder gibt es durch staatliche Maßnahmen Eingriffe in die Individualität, wobei jeder für sich eine Antwort finden muss, inwieweit diese für die Gesellschaft und einem selbst förderlich sowie akzeptabel sind.

Alles in allem handelt es sich um ein gut aufgearbeitetes, interessantes und spannendes Jugendbuch, das ich mir sogar als Grundlage, zum Beispiel für den Ethikunterricht, an Schulen vorstellen kann.