Rezension

"Vor der langen Nacht des Vergessens ..."

Die Felder der Ehre - Jean Rouaud

Die Felder der Ehre
von Jean Rouaud

 

… will der Schriftsteller Jean Rouaud die Mitglieder seiner Familie bewahren. In  liebevoll detaillierten Erzählungen lässt er Menschen, die er selbst kannte und auch solche, die er nicht mehr kennengelernt hat, weil sie zu früh gestorben sind, wieder auferstehen. Er entwirft ein ausdrucksstarkes Bild seiner Ahnen  -  besser als ein Foto es könnte; denn Rouaud haucht ihnen Leben ein, indem er sie in verschiedenen Episoden ihres Lebens darstellt .

So erhalten die Toten wieder Gestalt. Melancholisch, dennoch mit leisem Humor, manchmal gar ironisch beschreibt der Autor die einzelnen Charaktere, und stets spürt der Leser Rouauds Wärme und Liebe für seine Familienmitglieder.

Gemeinsam mit den Brüdern  Joseph und Emile, den Onkeln, die Rouaud nur aus Erzählungen kannte, durchlebt der Leser intensiv die Grauen des ersten Weltkrieges und seine Folgen. Sachlich, aber dennoch berührt und eindringlich beschreibt Rouaud die Schrecken des Krieges und das Leid der Bevölkerung.

„Die Felder der Ehre“ beschränken sich für Rouaud allerdings nicht auf den Kriegsschauplatz, wobei er den Gedanken aufwirft, ob ein Krieg überhaupt ein Feld ist, auf dem Ehre erlangt werden kann. Andere „Felder“ sind da sicher sinnvoller: so widmet die kleine Tante Marie, deren  Lebensweg er melancholisch und amüsiert zugleich verfolgt, ihr ganzes Leben dem Unterrichten und der Bildung von Schulkindern.

Auf faszinierende Weise versteht er es, seinen Leser mit dem Leben der einfachen Leute in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vertraut zu machen. Ab den Fünfziger Jahren werden Rouauds Schilderungen skizzenhafter; hier taucht er in den Kosmos des Kindes Jean Rouaud und dessen eigene Erinnerungen.

Einmal durch die Augen des genau beobachtenden Kindes, ein andermal distanziert und philosophisch  -  so fängt Rouaud Atmosphäre und Stimmungen ein und hält sie für die Nachwelt fest..

Ein liebevolles Andenken an die eigenen Vorfahren bewahrt,  kann ich mir kaum vorstellen!