Rezension

Vordergründig eine Westerngeschichte, zugleich eine Parabel über Rassismus vs. Menschlichkeit

God’s Country -

God’s Country
von Percival Everett

Bewertet mit 4.5 Sternen

Vordergründig ist Percival Everetts Roman »God’s Country« eine Westerngeschichte, laut der Buchrückseite eine »brillante Parodie, die genauso amüsant wie auch ein Spiegel der damaligen Gesellschaft ist«. Das Ganze ist locker-flockig geschrieben, aus der Sicht von Jock Marder, einem der Hauptprotagonisten.

Jocks Hof ist niedergebrannt, seine Frau entführt, sein Hund getötet worden. Von den Männern der Stadt wird er immer wieder bedauert, nach dem Motto. Was, dein Hund wurde getötet? Schrecklich. Jocks Frau findet dabei keine Erwähnung. Jock kann den afroamerikanischen Fährtenleser Bubba dazu gewinnen, mit ihm die Täter und seine Frau zu suchen, indem er ihm die Hälfte seines Landes verspricht – das er später verspielt. Natürlich ohne Bubba etwas davon zu sagen.

Jock Marder ist eine »Ratte«, vor allem auf seinen Vorteil bedacht. Bubba nennt er auch Nigger und Bursche, beginnt aber sein Verhalten zu ändern, weil er den Fährtenleser braucht. Indianer, die ihnen geholfen haben, verrät er, hat sogar Gewissensbisse, kann sich aber damit beruhigen, dass es sich ja um Indianer handelt. Er meint es nicht böse, wenn er sie verrät, hat allerdings einen finanziellen Vorteil davon. Beziehungsweise glaubt, ihn zu haben.

Vordergründig ist das Ganze also eine Westerngeschichte über das, was Jock, Bubba und einem Kind, das seine Eltern durch dieselben Täter verloren hat und die beiden begleitet, auf der Suche nach den Mördern passiert. Zugleich ist es aber nicht nur Spiegel der damaligen Gesellschaft, sondern eine Parabel über Menschlichkeit und Beharren (verkörpert von Bubba) gegenüber fanatischem (verkörpert etwa von General Custer) bis gedankenlos-selbstverständlichem Rassismus (Jock Marder). Indianer und Schwarze dürfen straflos ermordet werden, das ist den Weißen selbstverständlich; zumindest Reste dieser Einstellung existieren in den USA ja weiterhin, wie man an Beispielen von Polizeigewalt gegen Afroamerikaner in unserer Gegenwart immer wieder erfährt.

Jock träumt von Geld, davon, das Sagen zu haben, und von einer großen Ranch (S. 220), Bubba dagegen sagt: »Ich will bloß ’nen Tag, an dem ich mir nicht Sorgen machen muß, daß ’n Weißer meint, ich hätt ihn schief angeguckt, ’nen Tag, an dem ich mir nicht Sorgen machen muß, daß ich ’nen Reiter hinter mir hör, ’nen Tag, an dem keiner ›Bursche‹ zu mir sagt.« (S. 221)

Daß Everetts Roman mit alldem über die Darstellung der damaligen Gesellschaft hinausgeht und eine auch auf die Gegenwart zielende Parabel ist, zeigt der Schluss, den ich hier nicht wiedergeben und vorwegnehmen will, der aber m.E. klar bedeutet: Egal, was ihr, ihr Weißen, uns Afroamerikanern antut – ob ihr uns quält, tötet, was auch immer: ihr kriegt uns nicht unter, wir werden widerstehen, wir werden leben (vgl. S. 223).

(Die Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe der Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main u. a. 2014.)

Kommentare

wandagreen kommentierte am 06. August 2022 um 10:01

Feine Rezension. Die feine USA hat natürlich auch eine Menge Dreck am Stecken.

 

Emswashed kommentierte am 06. August 2022 um 18:32

Das hört sich nach dem zweiten Western (nach Deadwood von Dexter) an, den ich bestimmt lesen würde. Danke für die Vorstellung und ja, Wanda hat recht, feine Rezi.

Steve Kaminski kommentierte am 07. August 2022 um 15:35

Danke für eure Kommentare! :-)