Wärst du gerne berühmt, wenn du gleichzeitig unter negativen Folgen wie Stalking, Blaming und Bashing leiden müsstest?
Viel Geld, teure Klamotten, eine eigene Marke, tolles Aussehen, ganz viele Follower... Wie viele von uns würden alles geben für genau das. Und wie viele würden dafür aber auch die Schattenseiten in Kauf nehmen?
Valerie Sophie ist Influencerin, extrem beliebt trotz kürzlicher Trennung von ihrem genauso berühmten Freund und sehr vermögend. Klingt erstmal sehr gut, aber auch sehr oberflächlich, doch Antonia Wesseling zeigt schnell auch die Schattenseiten auf: Misogyne Manager, das Ständig-präsent-sein-müssen und der Druck, immer dem Idealbild der Fans zu entsprechen. Außerdem wird ziemlich bald deutlich, dass die Hauptfigur es in ihrer Kindheit nie leicht hatte und ein Trauma davongetragen hat.
Und dann tritt der Stalker auf und Valeries Welt gerät gefählich ins Wanken. Nicht nur, dass sie sich bedroht fühlen muss, sondern auch weil sie nicht ernst genommen wird. Hier kommen einige der wichtigsten Gründe zum Vorschein, warum viele Frauen so etwas kaum anzeigen. Denn: Sie übertreiben ja nur. Oder müssten sowas dulden, weil dafür stehen sie ja im Rampenlicht. Und selbst wenn einem geglaubt wird, fehlen die Beweise und/oder der Täter war schlicht und einfach noch nicht übergriffig genug, um gegen ihn vorzugehen. Valeries Hilflosigkeit und Verzweiflung bringt die Autorin extrem gut rüber. Ja, Valerie mag nicht unbedingt sympathisch sein, ich hatte auch oft meine Probleme mit ihr, das rechtfertigt aber weder die Taten des Stalkers noch die Reaktionen der Fans.
Denn das ist auch ein wichtiges Thema des Buches: Wie bei Social Media mit sowas umgegangen wird. Ähnlich wie beim Fall Mois, der grade durch die Decke geht, wird das Opfer in dem Fall geblamt, übelst beschimpft und mit Verachtung gestraft und das nicht nur von Followern, sondern auch von der Konkurrenz und der Presse. Und das teilweise nur, weil man mit der Empörung der Menschen da draußen einfach das meiste Geld machen und am meisten Aufmerksamkeit auf sich ziehen kann.
Paul wirkt dagegen wie die greenste Green Flag, die man sich vorstellen kann.
DAS ist wirklich etwas, was Antonia Wesseling richtig gut rübergebracht hat.
Was den Thrill und die Spannung angeht, hapert es an manchen Stellen etwas. Ich kann eingefleischte Thriller-Fans verstehen, dass ihnen das Buch streckenweise zu langweilig ist. Es gibt einige Passagen, die man auch packender und actionlastiger hätte gestalten können. Viele Thrillerautoren hätten hier wahrscheinlich ein Panorama menschlicher Abgründe dargelegt. Brutal und blutig und richtig perfide. Wäre vielleicht auch zu Lasten der Glaubwürdigkeit der eigentlichen Botschaft gegangen.
Auch die Sexszenen waren mir anfangs etwas zu plumb, gerade wenn man Paul als überfürsorglichen Helden betrachtet. Da erschien die Wortwahl nicht ganz so passend für ein True Love Pärchen. Alles weitere zu dem Punkt führe ich jetzt nicht mehr aus, um nicht zu spoilern.
Von mir gibt's insgesamt für das Buch 4 von 5 Likes.