Rezension

Wahrlich furios!

Die Zeit der Ruhelosen - Karine Tuil

Die Zeit der Ruhelosen
von Karine Tuil

Bewertet mit 5 Sternen

Francios Vely ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, dessen Privatleben hingegen alles andere als rosig aussieht. Seine Exfrau geht Selbstmord, die Kinder rebellieren gegen die neue Frau.  Der Beginn, bei den meisten Büchern einfach ein Graus, war hier sehr gut gelungen. Romain Roller ist ein Soldat und kehrt mit PTBS zurück nach Frankreich und findet nicht mehr den Anschluss an die Familie, während der schwarzer Politiker,Osman Diboula, unter den rassistischen Kollegen zu leiden hat. Sie alle haben ihre Probleme, denen die Autorin auf den Grund geht.

Der Beginn ist dramatisch, aber direkt packend und wie ich finde, schonungslos ehrlich. Genauso geht es auch weiter. Die Autorin scheut sich nicht, schwierige Themen anzuschneiden, den Finger in die Wunde zu legen und dem Leser die Augen zu öffnen. Die Themen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder Terrorismus werden authentisch aufgearbeitet und die Schattenseiten des sozialen Auf und Ab eindrucksvoll und spannend geschildert. Wie stürzt ein Mensch? Wie tief kann er fallen und kann etwas seinen Absturz verhindern?

Die Protagonisten sind grundlegend verschieden und trotzdem treffen sie immer wieder gekonnt aufeinander. Man entwickelt teils Mitleid, aber auch Abscheu für sie und ihre Handlungen. Die Antihelden kann man nicht mögen, aber man muss trotzdem wissen, was sie als nächstes tun, bzw. zu was sie durch die Umstände gezwungen werden. Die Charaktere sind extrem gut ausgearbeitet und haben nie konstruiert gewirkt. Die Sprache ist leidenschaftlich, anspruchsvoll und geistreich, immer dem jeweiligen sozialen Background der Protagonisten angepasst und hat mich gefesselt.

Je weiter die Geschichte voranschreitet, desto weniger ist es möglich das Buch aus den Händen zu legen. Ich möchte nicht zu viel von der Handlung erfahren, aber neben tiefschürfenden Identitätskrisen und der Ausarbeitung sozialer Ungerechtigkeiten, sind extrem spannende Ereignisse verschiedener Couleur enthalten, die nachdenklich machen.

Ein kluger, brandaktuelle Gesellschaftsroman, der die Umschreibung „furios“ mehr als verdient hat, auch oder gerade weil er teils verstörend, teils erschreckend und fast schon abstoßend ist.