Rezension

War einfach nicht meins...

Verlangen -

Verlangen
von Bregje Hofstede

Bewertet mit 2 Sternen

Nach jahrelanger Beziehung muss die junge Bregje eines Tages einsehen, dass irgendetwas nicht stimmt. Eigentlich liebt sie Luc, die beiden sind seit ihrer Teenager-Zeit zusammen und die meiste Zeit über wirkte ihre Beziehung auch recht harmonisch. Dann aber beginnt Bregje, immer weiter abzunehmen, schläft kaum noch, bekommt einen unerklärlichen Hautausschlag. Sie fühlt sich eingeengt und einfach nicht mehr wohl in ihrem Leben, das doch so schön hätte sein sollen. Also trifft sie eine Entscheidung, denn sie muss da irgendwie raus - sie packt kaum mehr als ihre alten Tagebücher und eine Zahnbürste in ihren Rucksack und zieht von Hostel zu Airbnb durch ihre Heimatstadt Brüssel. Für wie lange - das weiß nicht nur Luc, sondern auch sie selbst nicht.

Das Buch handelt von der Macht der Erinnerung, vor allem aber auch von der Frage, wie sehr wir uns selbst und andere belügen, wie weit wir uns selbst und den, der wir wirklich sind, verstecken, unterdrücken können, ohne dabei verlorenzugehen.

 

Ich hatte mir viel von diesem Buch erhofft. Klappentext und Cover haben mich sofort angesprochen und auch die Leseprobe hat mir gut gefallen. Leider konnte das Buch meinen Erwartungen nicht gerecht werden, denn obwohl der Einstieg mir gut gefiel, hatte ich ab einem bestimmten Punkt das Gefühl, dass die Geschichte auf der Stelle tritt. Ich hatte kein Buch mit viel Action erwartet, und dennoch passierte mir hier schlichtweg zu wenig.

Vom Schreib- und Erzählstil finde ich es schön gestaltet und beide sollen hier positiv Erwähnung finden. Der Autorin gelingt es, den Fokus auch auf die kleinen Dinge zu lenken, sie hat einen wunderbaren Blick fürs Detail und so manche Gedankengänge der Protagonistin sind sehr tiefgreifend und muten philosophisch an. Hinzu kommt die interessante Erzählweise, denn es wird zwischen gleich vier verschiedenen "Perspektiven" gewechselt, die dennoch alle von der Protagonistin ausgehen. Da wäre einmal die "normale" Ich-Perspektive, in der wir erfahren, was Bregje gerade tut, was um sie herum geschieht. Dann haben wir solche Textpassagen, in denen sie sich direkt an Luc zu wenden scheint, ihn mit "Du" anspricht, als wären wir, die Leser, er; weiter gibt es kürzere Tagebucheinträge, in denen die Protagonistin uns indirekt einen Blick in ihre Vergangenheit mit Luc erlaubt, sowie Ausschnitte, die aus der Ich-Perspektive heraus direkt in ihrer Kindheit spielen. Diese verschiedenen Sichtweisen ermöglichen es, einen umfassenden Eindruck der Protagonistin zu erhalten - und dennoch blieb sie mir merkwürdig fremd. Woran das liegt, kann ich gar nicht so genau sagen, aber ich wurde nicht mit ihr warm.

Vielleicht war sie mir zu passiv, auch zu dimorph gewissermaßen in ihrem Handeln und Denken, was es mir schwer gemacht hat, sie in meinem Kopf zu einer stimmigen Person zusammensetzen zu können. Dabei stört es mich gar nicht mal, dass ihre Wahrnehmung in den Tagebucheinträgen von ihren Erinnerungen und diese wiederum von der Realität abweichen - sie ist eine unzuverlässige Erzählerin, das macht sie eigentlich nur glaubwürdiger. Ich hatte eher das Gefühl, dass sie sich zu wenig entwickelt, dass sie an irgendeinem Punkt in ihrem Leben in die verschiedenen Eigenschaften ihrer Persönlichkeit zersplittert ist und dabei das verloren hat, was nötig wäre, all diese Teile wieder zusammenzufügen. Weshalb ihr das auch nicht wirklich gelingt.

 

Zusammenfassend muss ich also sagen, dass auch der Schreib- und Erzählstil leider nicht wieder aufwiegen können, was mir auf Seite der Hauptfigur und ihrer Geschichte fehlt. Meine Schwierigkeiten damit, eine gewisse Nähe zur Protagonistin aufzubauen und ihre Denkweise zu verstehen, haben das Buch für mich streckenweise sehr langatmig gestaltet; bis zum Ende hat es mich auf seine Art sehr fasziniert, dennoch war es wohl einfach nicht meins.