Rezension

War ganz nett, mir aber zu reißerisch

1793 - Niklas Natt Och Dag

1793
von Niklas Natt och Dag

Bewertet mit 3 Sternen

Ich finde tatsächlich, das der Autor ganz schön reißerisch schreibt. Viele Gewaltdarstellungen, die vor allem auf eine Dramatisierung der Handlung abzielen. Wer das nicht mag, ist bei diesem Roman schon mal ganz falsch. 

 

Für mich war der Roman vor allem am Anfang spannend, dann fehlten mir aber nach und nach interessante Ermittlungen. Ich mag einfach wenn sich die Hauptfiguren auf Spurensuche begeben müssen. Der Autor geht hier einen anderen Weg und im Grunde bietet der erste Teil  eine Art Rahmenhandlung. Während sich dann ein großer Teil der Handlung in die Vergangenheit begibt und dort alles wichtige aufdeckt. Mir persönlich gefällt so eine Erzählweise nicht so gut, weshalb der Roman für mich dann auch an Spannung und Atmosphäre eingebüßt hat. Außerdem passt eine Figur für mich einfach nicht so richtig zum Rest der Geschichte, fügt sich nicht ganz rund ein. Daher gefiel mir dieser Punkt dann auch nicht so gut. Anna Stinas Geschichte ist zwar wirklich ergreifend und macht wütend, da solche Spinnereihäuser (die als Straflager dienten, ähnlich einem Arbeitshaus wie man es auch aus anderen europäischen Ländern aus dieser Zeit kennt) auch wirklich existiert haben, aber eigentlich bringt es die Handlung nicht weiter voran. Auf mich wirkte das wie ein Lückenfüller, um die Geschichte künstlich aufzubauschen. 

 

Vieles was der Autor dann Winge sagen lässt, wirkt zu modern für die Zeit in der die Handlung spielt. Ja, er ist von den damaligen Denkern der Aufklärung inspiriert, aber seine Ansichten über Tatverdächtige und die Frage nach den Gründen wirkten auf mich definitiv nach Gedanken des 19. und 20.Jahrhunderts. Da hätte ich mir im Nachwort des Autors tatsächlich etwas Hintergrund gewünscht, so wirkte es auf mich eben erstmal eher wie ein Wunschgedanke  und nicht so realistisch. Gut, 1793 ist immer noch ein Roman, aber ich gebe zu, ich möchte dann trotzdem einigermaßen realistische Figuren haben und keine bloßen Schablonen die eher zufällig im 18. Jahrhundert gelandet sind, weil es ja so wunderbar für die Idee passte, die der Autor hat. 

 

Für mich interessant war vor allem der historische Hintergrund. Dieser beeinflusst auch die Ermittlungen, da sich das Land in einer Wendezeit befindet und viele Beamten ausgetauscht werden, um dem jeweiligen Machthaber an den unterschiedlichen Stellen besser zu gefallen. Zu dem hat Winge auch noch die Schwindsucht und es ist lange nicht klar, ob er die Handlung überhaupt überleben wird. Ich gebe zu, hier hätte ich mir sogar etwas mehr Mut gewünscht, manche Figur überlebt mir im allgemeinen allzu sehr nur deshalb, damit die Geschichte nicht zuu düster und zuu grausam wirkt. Kein Wunder also das an anderer Stelle das ganze schon sehr stark zugespitzt wird. Eigentlich wirkt diese Zeit als einzige düsterer, grausame, von Machtgier zerrfressene Adlige Gesellschaft, die auch Aufgrund der Ereignisse der Französischen Revolution große Angst hat ihre Macht zu verlieren. Das stimmt natürlich bis zu einem bestimmten Punkt. Aber mir persönlich ist das Bild das "1793" zeichnet etwas zu einseitig. Der Blickwinkel auf die nicht adlige Gesellschaft wird dabei ebenfalls zu sehr auf einen einzigen Aspekt verdichtet. Auch hier war mir das Ganze zu sehr schwarz-weiß gehalten. Ich gebe zu, das mir das einfach zu wenig ist, um mich richtig zu überzeugen. 

Der Stil ist schon so gehalten, das ich weiter lesen wollte, vor allem weil ich schon neugierig war, wie die einzelnen Punkte miteinander verknüpft werden. Schade das dabei Winge und auch Cardell so seltsam blutleer bleiben. Beide haben zwar traurige und realistische Hintergrundgeschichten, aber vor allem Erstere wird wieder viel zu aufgebauscht und das nervte mich irgendwie, es war wieder so unnötig. 

Die Auflösung war durchaus glaubwürdig aufgebaut, wenn auch an ein paar Stellen mir persönlich zu viel des Guten. Ich finde der Autor neigt sehr stark dazu, immer gleich alles zu übertreiben, das wirkt an einigen Stellen dann sehr überladen. 

Kein wirklich schlechter Roman, ich habe ja nicht ohne Grund weiter gelesen. Vieles viel mir jetzt auch erst in der Retrospektive auf. Für mich kein Flop, kein Highlight,  kann man lesen: 

wenn man mal einen historischen Roman mit Krimi und Thrillerelementen lesen möchte, der sich mal mit einer Zeit und einem Land beschäftigt, welche im deutschsprachigen Raum nicht so oft übersetzt vorliegt.