Rezension

warmherzig, feinfühlig, herzergreifend

Ich komme mit - Angelika Waldis

Ich komme mit
von Angelika Waldis

Bewertet mit 5 Sternen

Komm' wir spielen ein Spiel: "Was ist das Leben?"

Der junge Student Lazy (21 Jahre) und die alte Rentnerin Vita (72 Jahre) wohnen seit vielen, vielen Jahren in einem Mehrfamilienhaus in der Torstraße 6. Man sieht sich und grüßt sich, aber man hat nicht viel miteinander zu tun, man begegnet sich eher mit Suspekt; jeder lebt sein eigenes Leben.

Dies ändert sich aber schlagartig. Lazy wird vollkommen aus der Bahn geschmissen als er erfährt, dass er an Leukämie erkrankt ist. Während seine Freundin Elsie, mit der er auf Wolke Sieben schwebt, einen neuen Weg mit einem anderen Studenten einschlägt, stürzt Lazy ab, gerät aus der Spur. Auch sein Mitbewohner zieht beruflich bedingt aus. Lazy ist nun ganz allein, auch sein Vater starb als er 16 Jahre alt war und seine Mutter hat die Familie verlassen als er noch ein Kind war. Ebenso ist allein. Ihr Mann Jakob ist seit fünf Jahren tot und ihr Sohn Moritz (Ende 40) lebt schon seit über 20 Jahren in Australien. Vita engagiert sich zwar für eine Hungerhilfsorganisation, aber eher nur, um der Einsamkeit zu entfliehen. Der Einzige, mit dem sie derweil Kontakt hat und Gespräche führt, ist Rolf, der eine kleine Reiseagentur leitet und sein Geschäft ebenfalls im gleichen Haus hat. Hier erfährt sich, was sich im Haus ereignet und dass es Lazy schlecht geht. Als sie eines Tages dem erschöpften Lazy im Treppenhaus trifft, beschließt sie, sich um ihn zu kümmern. Eine ungewöhnliche aber sehr tiefe, vertrauensvolle Freundschaft beginnt. Anfangs kocht Vita für ihn, später zieht Lazy sogar bei Vita ein. Für Vita steht Lazy nun im Mittelpunkt, ihre Arbeit rückt in den Hintergrund und auch Moritz verliert an Bedeutung.

Lazy und Vita erwarten nicht mehr viel vom Leben, er ist sterbenskrank, hätte sein Leben quasi noch vor sich, sie hat ihr Leben gelebt und hat es sozusagen hinter sich. Für beide ist der Tod in greifbarer Nähe. Und da sie nichts mehr zu verlieren haben, wagt nun dieses ungleiche Paar, das aber einen großen gleichen Nenner gemein hat, eine anstrengende letzte Reise. Es ist auf der einen Seite eine beschwerliche, strapaziöse Reise in die Türkei, aber auf der anderen Seite ist es auch eine Reise, die sie ihrem Lebensende – dem Tod - näher bringt. Allein will keiner diesen Weg beschreiten; so heißt es also: „Ich komme mit.“

Das Buch ist wunderschön geschrieben. Abwechselnd wird aus den Perspektiven von Lazy und Vita erzählt und zeigt somit ein eindrucksvolles, Bild der beiden Hauptfiguren und deren Charaktere. Kurze, einfache, aber dennoch aussagekräftige Sätze, die mit aller Wucht und sprachlicher Raffinesse die Realität und Gefühle der Protagonisten ausdrücken bestimmen den Roman. Mit 209 Seiten (ohne nachträgliche Anmerkungen) ist er nicht nicht sehr umfangreich. Aber es ist kein Roman zum Schnell-Lesen. Es ist auch kein Roman zum puren Zeitvertreib und Relaxen. Der Roman ist tiefsinnig und regt zum Nachdenken an. Dies zeigt sich auch darin, dass markante Zitate von Dichtern und (antiken) Philosophen über das Leben und den Tod , die stets einen Bezug zu jeweiligen Lebenssituation der Protagonisten haben, in regelmäßigen Abständen in der Geschichte wie Perlen einer Kette, hervorgehoben werden.

So neigt man schließlich, sich dem besonderen Wortspiel von Vita und Lazy, das sie auf ihrem gemeinsamen End-Lebensweg machen, anzuschließen. Es geht immer um die Frage „Was ist Leben?“ Und stets suchen und geben sie die Antwort „Leben ist....“ - mal lustig, mal tiefsinnig, mal eigenartig, mal abstrus, mal...

Der Titel des Romans „Ich komme mit“ kann somit gleichsam auch den Leser auffordern, sich mit Lazy und Vita auf diese außergewöhnliche Reise durch die Frage nach dem „Was-macht-das-Leben-aus?“ zu machen. Man kommt beim Lesen schließlich den beiden liebenswerten Personen sehr nahe.

Mir hat das Buch außerordentlich gut gefallen. Es ist ein Buch über Freundschaft, Vertrauen und Mut aber auch Verlust. Der ungewöhnliche Sprachstil ist sehr beeindruckend und echt passend für das aus vielen Gedanken und Gefühlen bestehende Buch, in dem auch viel zwischen den Zeilen steht. Ein ruhiges, feinfühliges, emotionsgeladenes Buch, das nachwirkt und bewegt

Für mich ist es ein Buch, das man nach dem Lesen griffbereit haben sollte, da man es echt mehrmals lesen kann.

Dieser Roman ist eine Wucht und bekommt daher die Bestnote:

FÜNF STERNE!