Rezension

„Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind“ (Buchuntertitel)

Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen - Ulrike Herrmann

Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen
von Ulrike Herrmann

Bewertet mit 5 Sternen

„Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind“ (Buchuntertitel)

Inhalt, Text von der Umschlaginnenseite:
Die Bundesrepublik wird jetzt 70 Jahre alt, und schon ihr Anfang ist sagenumwoben: Nach dem Zweiten Weltkrieg soll Westdeutschland angeblich ein einzigartiges „Wirtschaftswunder“ erlebt haben, das allein der Währungsunion zu verdanken sei. Wie in einem Märchen gibt es auch einen Helden: Ludwig Erhard. Selbst Grüne lassen sich inzwischen mit seinem Konterfei abbilden. Ganz alleine soll Erhard die neue D-Mark eingeführt und die „soziale Marktwirtschaft“ erfunden haben. In diesem Narrativ ist Erhard ein überragender Ökonom und Staatsmann, der Deutschland aus tiefster Not errettet hat. Nichts davon stimmt. Die deutsche Mark war keine westdeutsche Erfindung, sondern wurde von den Amerikanern durchgesetzt. Auch ein rein bundesdeutsches „Wirtschaftswunder“ gab es nicht – fast alle westeuropäischen Staaten wuchsen rasant. Besonders erfolgreich war übrigens Spanien. Die „soziale Marktwirtschaft“ war ebenfalls ein Märchen, denn die Bundesrepublik war nie besonders sozial, und eine „Wirtschaftsreform“ hatte auch nicht stattgefunden. Diese Legende sollte nur verbrämen, wie wenig sich seit der NS-Zeit ökonomisch verändert hatte: In den Großkonzernen dominierten weiterhin die alten Eliten.

Meine Meinung:
Ein sprachlich gut verständliches und sehr informatives Sachbuch.

Es machte mich wütend zu lesen, mit welcher Unwissenheit Regierungschefs, Minister und die Deutsche Bundesbank Entscheidungen fällten und / oder wissentlich das Volk belogen haben.
Nicht bewusst war mir bisher, wie viel Unterstützung Westdeutschland nach dem Krieg von Amerika erhalten hat.

Textbeispiel:
„Erhard hingegen konnte schon deswegen keinen Einfluss nehmen, weil er völlig uninformiert war, wie man auch in der Chemieindustrie ebenso amüsiert wie erfreut feststellte. Im September 1950 befasste sich Adenauers Kabinett mit dem Thema I.G.Farben, und ein Branchenlobbyist wusste anschließend zu berichten: 'Als der Kanzler zur Stellungnahme aufforderte, ergab es sich, dass der Minister (Erhard) keinen eigenen Plan hatte und auch keine Vorarbeiten für eine solche Meinungsbildung vorlagen.' Ein Vertreter der Chemieindustrie habe daher 'in seiner Gutmütigkeit … den gewünschten Bericht diktiert'.“ (S. 117)
„Die Wirtschaft war kein Einzelfall. Auch in den meisten anderen Sphären der Gesellschaft rückten Ex-Nazis wieder ein und auf: ob in Wissenschaft, Verwaltung, Justiz oder in den Ministerien. Nur allzu sichtbar durften sie nicht sein … Gerade weil die personelle Kontinuität so groß war, musste dringend der Eindruck erzeugt werden, als hätte es eine Wirtschaftsreform gegeben und als hätte sich die Bundesrepublik in eine 'soziale Marktwirtschaft' transformiert. In Wahrheit gab es diese neuartige Marktwirtschaft nicht, sondern es dominierten die alten Konzerne und die alten Eliten.“ (S. 124)

Fazit: Lesen!