Rezension

»Warum könnt ihr beim Sch...-Bauen nicht wenigstens was richtig machen?«

Köln 300 °C - Marco Hasenkopf

Köln 300 °C
von Marco Hasenkopf

Vielschichtiger Krimi, der ein interessantes Thema aufgreift, mit gewöhnungsbedürftigen Ermittlern.

Judith Mertin hat es nicht leicht. Seit drei Monaten wird sie von ihrem cholerisch unberechenbaren Kollegen Markus Kaiser schikaniert. Ausgerechnet als sie zu einem Brandanschlag gerufen werden, greift er sie sogar körperlich an. Dennoch müssen sie zusammen ermitteln und ihrem Versetzungsgesuch wird nicht stattgegeben. Ein verbranntes Mobiltelefon bringt sie zur Telekommunikationsfirma eco-tec, deren Mitarbeiter sich auffallend bedeckt halten. Bei einem zweiten Brandanschlag auf ein Flüchtlingsheim wird der hochexplosive Stoff Tantal entdeckt. Zusätzlich muss sich Mertin mit rechtsextremen Jugendlichen herumschlagen, die sie sogar angreifen, während Kaiser mit Abwesenheit glänzt und sein Verhalten immer merkwürdiger wird. Daran ändert auch das gemeinsame Abendessen, von seiner Frau in die Wege geleitet, nichts. Dass zusätzlich offenbar intern gegen Kaiser ermittelt wird, macht ihn für Judith nicht vertrauenswürdiger und sie weiß bald gar nicht mehr, was sie von ihm halten soll. Doch der nächste Anschlag lässt nicht auf sich warten ...

Der Anfang dieses facettenreichen Krimis fesselte mich sofort, sowohl die Differenzen zwischen der dunkelhäutigen Judith und Kaiser, als auch der interessante Fall mit dem total verbrannten Toten. Der Krimi-Plot ist vielschichtig aufgebaut, mehrere Perspektiven und Handlungen. Viele Details waren im ersten Moment nicht zu erkennen, auch wirken mehrere Abteilungen und Personen mit, daher war es schwierig für mich, den roten Faden zu finden. Oft musste ich zurückblättern, bis ich das ›aha‹-Erlebnis hatte. Dass die Kapitel nach Tag und Uhrzeit betitelt sind, machte das Ganze übersichtlich. 
Was am Anfang dem Roman Würze verlieh, verursachte bei mir von Kapitel zu Kapitel das Gefühl auf einem Vulkan zu sitzen. Das war jedoch nicht auf die laufenden Brandanschläge sowie zahlreichen Action- und Gewaltszenen zurückzuführen, vielmehr war es die katastrophal aggressive Stimmung unter den Ermittlern, die mich gravierend von der Haupthandlung ablenkte. Kaisers schräges pöbelhaftes Verhalten konnte ich überhaupt nicht nachvollziehen und ich verstand nicht, warum es alle vom sonderbar hilflosen Chef (der Titel meiner Rezension ist ein Zitat von ihm) weg tolerierten. Kaiser war für mich von Anfang an ein unkalkulierbares Pulverfass, das dann letztendlich wirklich explodierte und er im Krankenhaus landete. Judith hat ebenfalls privat ein Päckchen (Deusch-Kongolesin, Mutter umgebracht, Beziehungsschwierigkeiten), das war mir stellenweise too much. Mir fehlte die positive Auflockerung, die den meisten Krimis den Charakter gibt. 
Unrealistisch fand ich, dass die junge Mertin nach Kaisers Zusammenbruch als Leiterin eingesetzt wird, obwohl sie erst seit drei (!) Monaten in der Abteilung ist und zudem ein Manko hat: Sie kann schlecht schießen. Was auch in der Handlung vorkommt, als ein Attentäter direkt auf sie zuläuft und sie ›das ganze Magazin leer schießt‹ ohne ihm nennenswert zu schaden. 
Bemerkenswert fand ich, dass das Thema des Coltan-Abbaus im Kongo aufgegriffen wird, die grauenvollen Bedingungen für die Minenarbeiter und wer sich schlussendlich daran bereichert. 
Die Auflösung war dann zufriedenstellend und nachvollziehbar. Der Schreibstil ist flüssig lesbar, die Dialoge sind in Umgangssprache gehalten und wirken daher natürlich. Thrillerfreunden kann ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen.