Rezension

Warum passiert mir so etwas?

STRAFE
von Paula Polanski Håkan Nesser

Bewertet mit 4 Sternen

»Lieber Max, ich bin’s, Tibor, der dir diese Zeilen schreibt. Du erinnerst dich doch sicher? Immerhin habe ich dir zwei Mal das Leben gerettet, und deshalb denke ich, dass du mir einen Gefallen schuldest. Die Sache ist die, dass es mir ziemlich schlecht geht, ich habe nicht mehr lange zu leben, aber es gibt da etwas, was ich noch in Angriff nehmen muss. Und dabei brauche ich deine Hilfe. Das Leben hat sich nicht so entwickelt, wie wir es uns einst vorgestellt haben. Ich wäre dir sehr verbunden, wenn du dich so schnell wie möglich bei mir meldest. Freundliche Grüße, Tibor Schittkowski«

Der erfolgreiche Schriftsteller Max Schmeling denkt sich nichts Böses, als er den Brief öffnet, den sein Verlag an ihn weitergeleitet hat. Doch die vermeintliche Bitte um ein Autogramm entpuppt sich als ein Schreiben, das ihn mehr als irritiert. Seit Jahrzehnten hat er seinen damaligen Mitschüler Tibor Schittkowski nicht mehr gesehen und ebenso lange gab es keinen Kontakt. Und obwohl er ihm wohl sein Leben zu verdanken hat, mochte er ihn nie. Aber kann man einem todkranken Menschen guten Gewissens einen Wunsch abschlagen? Max begibt sich auf die Reise zu Tibor, auf eine Reise in seine alte Heimatstadt. Und er hat nicht die geringste Ahnung, auf was er sich da eingelassen hat…

 

Das erste, was mir am Text auffiel, war natürlich der Name des Schriftstellers. Tatsächlich verdankt er seinen Namen seinem boxbegeisterten Vater – diese Info und viele weitere erfährt der Leser, der mit Max zusammen dessen Vergangenheit erforscht. Die Ausgangslage lässt einen lange im Unklaren, was eigentlich abläuft. Tibor, der krankheitsbedingt nicht mehr gut und lange reden kann, hat sein Anliegen aufgeschrieben. Der Text ist etwas umfangreicher und während sich Max hindurcharbeitet, werden immer mehr Erinnerungen bei ihm wach. Hat er so manches einfach vergessen oder verdrängt?

 

Man könnte meinen oder befürchten, dass dies nach einer nicht so einfachen Lektüre klingt. Das Gegenteil ist der Fall, das Buch liest sich sehr gut und hatte für mich einen Stil, der mich absolut fesselte. Es gab für mich keine einzige Länge und manches Mal musste ich zudem über Formulierungen lachen. Beispiel?

»… und selbst wenn der Text, an dem er momentan schreibt, die Absicht hat zu havarieren oder zu implodieren (oder was sich sonst abspielen mag, wenn Romane sich das Leben nehmen), …«

 

Das Buch bleibt spannend, auch wenn es mehr oder weniger unblutig bleibt. Es ist eine unterschwellige Spannung, die das Buch ausmacht. Das Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt, dass irgendetwas Böses droht, aber was nur? Lange teilt man Max Ratlosigkeit, fühlt sich gemeinsam mit ihm unwohl und ungerecht behandelt – um kurz danach wieder zu zweifeln, ob da nicht doch etwas sein kann… Irgendetwas?

 

Der Autor Håkan Nesser wird schon mal als der „Philosoph unter den Krimiautoren Skandinaviens“ bezeichnet. Laut Klappentext begegnete ihm während einer seiner Lesereisen in Deutschland Paula Polanski und erzählte ihm ihre Geschichte. Paula Polanski ist das Pseudonym einer deutschen Publizistin. Der Grund für ihre Anonymität erschließt sich aus der Lektüre des Buchs. Und daraus folgt: Lesen und überraschen lassen ;-)

 

Fazit: Ein spannendes Verwirrspiel, das mich richtig gut unterhalten hat.

 

»Warum passiert mir so etwas, fragt er sich. Was ist das nur für eine Partitur, in der ich hier gelandet bin? An den Rollstuhl gefesselte Hohlköpfe, die unverständliche Forderungen an mich stellen, und Frauen, die sich vor meinen Augen das Leben nehmen wollen? Ist das zumutbar?«