Rezension

Was am Ende bleibt

Dankbarkeiten - Delphine de Vigan

Dankbarkeiten
von Delphine de Vigan

Bewertet mit 4 Sternen

Meine Meinung und Inhalt

"Haben  Sie  sich  schon  einmal  gefragt,  wie  oft  Sie  in  Ihrem  Leben  wirklich Danke  gesagt  haben?  Ein  echtes  Danke.  Als  Ausdruck  Ihrer  Dankbarkeit, Ihrer Anerkennung, der Schuld, in der Sie stehen." (ZITAT)

Michka, die stets ein unabhängiges Leben geführt hat, muss feststellen, dass sie nicht mehr allein leben kann. Sie realisiert, wie ihr die Worte entgleiten und ist geplagt von Albträumen.

Die junge Marie, die Michka früher versorgt hat, bringt sie in einem Seniorenheim unter. Der alten Frau fällt es schwer, sich in der neuen Ordnung einzufinden.  Die  Enge  und  Monotonie  ihres  neuen  Lebens  stehen  im kompletten  Gegensatz  zu ihrem früheren Dasein, das von Offenheit und regem Austausch bestimmt war. 

Ihr einziger Lichtblick sind Marie und der junge Logopäde Jérôme, der sie regelmäßig aufsucht. 

Beide kümmern sich liebevoll um sie. Michka wiederum zeigt beiden immer wieder, wie wichtig der Kontakt zu Menschen ist, wie sehr man Zuneigung und tiefes Verständnis braucht, ganz egal wie alt man ist. Doch was sie am meisten beschäftigt, ist die bisher vergebliche Suche nach einem Ehepaar, dem sie ihr Leben zu verdanken hat. Daher gibt Marie eine Suchanzeige auf, und Michka hofft, ihre tiefe Dankbarkeit endlich übermitteln zu können, bevor es zu spät ist.

Ein unglaublich ergreifendes kleines Buch, indem die Autorin dem Leser näher bringen will, dass nichts so wichtig ist wie die Menschen, die uns zu denen gemacht  haben, die wir sind.

Der Schreibstil, den ich bereits aus ihrem Buch "Loyalitäten" kenne, gefällt mir sehr gut. Die Flüssigkeit des Lesens wurde allerdings durch Michkas "Wortersetzen" erschwert, da diese nicht mehr die richtigen Wörter gefunden hat und diese durch ähnlich klingende ersetzt hat. Allerdings hat mich das auch einige Male zum Schmunzeln gebracht.

Die Protagonisten sind mir allesamt sehr symphatisch gewesen, schon alleine Marie und Jérôme, die beide eine wahninnig aufgeschlossene, liebe und hilfsbereite Art haben und sich liebevoll um Michka kümmern.

Das Buch bekommt eine absolute Leseempfehlung, denn es regt absolut zum Nachdenken an.

"Ich  bin  Logopäde.  Ich  arbeite  mit  den  Wörtern  und  dem  Schweigen. Dem Ungesagten. Ich arbeite mit der Scham, dem Geheimnis, der Reue. Ich arbeite mit  dem  Fehlenden,  mit  verschwundenen  Erinnerungen  und  solchen,  die durch  einen  Vornamen,  ein  Bild,  einen  Duft  wieder  geweckt  werden.  Ich arbeite  mit  den  Schmerzen  von  gestern  und  denen  von  heute.  Mit  den vertraulichen Mitteilungen. Und der Angst vor dem Sterben. Das gehört zu meinem Beruf." (ZITAT)

 

DELPHINE  DE  VIGAN, geboren 1966, erreichte ihren endgültigen Durchbruch als Schriftstellerin mit  dem  Roman  ›No  &  ich‹  (2007),  für  den  sie  mit  dem  Prix  des  Libraires  und  dem  Prix  Rotary International 2008 ausgezeichnet wurde. Ihr Roman ›Nach einer wahren Geschichte‹ (DuMont 2016) stand wochenlang auf der Bestsellerliste in Frankreich und erhielt 2015 den Prix Renaudot. Bei DuMont erschien außerdem 2017 ihr Debütroman ›Tage ohne Hunger‹ und 2018 der Roman ›Loyalitäten‹. Die Autorin lebt mit ihren Kindern in Paris.