Rezension

Was aus dem kleinen Danny wurde ...

Doctor Sleep - Stephen King

Doctor Sleep
von Stephen King

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt:
Man kann nicht gerade sagen, dass Daniel Torrance nach den Erlebnissen im Overlook Hotel die Kurve gekriegt hätte. Nein, wirklich nicht ... Ein Säufer ist er geworden, lässt sich in Schlägereien verwickeln, schleppt wahllos Frauen ab, die genauso kaputt sind wie er. Irgendwann ist er an seinem ganz privaten Tiefpunkt angelangt und weiß, dass er die Kurve kriegen muss ... Zur etwa gleichen Zeit wird ein Mädchen geboren, Abra, das über ungwöhnliche Fähigkeiten verfügt: Wie Danny hat sie auch das "Shining", jedoch ungewöhnlich stark und ausgeprägt. Durch Zufall nimmt sie als Kind Kontakt zu Daniel auf, und ihrer beider Lebenswege kreuzen sich. Diese Verbindung stellt sich im Verlauf der Zeit als überlebenswichtig heraus, denn ganz gewisse, unheimliche, Leute sind hinter Abra und ihrer besonderen Fähigkeit her ...

Meinung:
King kann es einfach! Zwar ist der Roman "Shining" ein in sich abgeschlossener Roman, insofern kann man "Doctor Sleep" nicht direkt als Fortsetzung bezeichnen. Aber immerhin spinnt King die Geschichte des kleinen Daniel Torrance hier weiter und zeigt auf, was aus diesem besonderen Jungen geworden ist.
Die Geister (im wahren Sinne des Wortes!) lassen Danny einfach nicht los: Ach nach dem Tod des Vaters und der Zerstörung des Overlook suchen sie Danny heim. Der Übergang vom Ende in "Shining" zum neuen Buch "Doctor Sleep" ist King sehr gut gelungen, es gibt sogar ein Wiedersehen mit dem schwarzen Koch Dick Halorann, der danny damals im Overlook unter seine Fittiche genommen und ihm das "Shining" erklärt hat!
Dannys Kindheit wird jedoch nur kurz beleuchtet, im weiteren Verlauf des Romans widmet sich King Dannys Werdegang als Erwachsener - und Säufer. Und das macht er richtig, richtig gut! Er lotet wieder einmal die seelischen Abgründe der Menschen aus, Schuld, Scham, Abstürze. Ich denke, hier wird der Autor auch durchaus eigene Erfahrungen und Erkenntnisse mit eingewoben haben - King ist ja bekennender ehemaliger Alkoholiker.
Daniel wird wunderbar als Antiheld aufgebaut. Eigentlich kann man ihn nicht mögen, zumindest am Anfang nicht, ist er doch ein absoluter Versager und Nichtsnutz! Und doch habe ich durchweg Sympathie für ihn empfunden, einfach weil er so menschlich ist ...
Die Einführung von Abra als weiterem zentralen Charakter ist King auch durchweg gelungen. Hier wird es dann auch des Öfteren unheimlich und gruselig und manchmal sind Szenen dabei, wo sich mir die Nackenhaare aufgestellt haben! Abra ist ein durchweg starker Charakter, ebenfalls wie Danny mit dem Shining gesegnet (oder verflucht?). Doch im gegensatz zu ihm wächst sie in einem gesunden Elternhaus und geicherten Verhältnissen auf, so dass sie sich prächtig entwickelt. Abra muss man einfach mögen!
Die Geschichte entwickelt sich relativ langsam. Zunächst steht natürlich Danny im Zentrum des Geschehens, zu dem Abra im Verlauf des Buches Kontakt aufnimmt (mehr sei nicht verraten).
Als schließlich die dritte Partei ins Spiel kommt, die Sekte des "Wahren Knotens", nimmt das Tempo der Geschichte enorm zu und die Seiten fliegen nur so dahin! Wie King schließlich die Fäden zusammenbringt und miteinander verwebt ist wieder ganz großes Kino!!
Einen Kritikpunkt habe ich jedoch: Die Antagonisten sind mir ein wenig zu zahnlos ausgefallen. Richtige Angst haben mir die Mitglieder des Wahren Knotens nicht bereitet und in meinen Augen personifizieren sie auch nicht das Böse (wie bspw. der Teufel in "Needful Things" oder der Clown Pennywise in "Es"). Sie sind halt eine bestimmte Art von Wesen, die so sind, wie sie sind.
Auch der letzte Teil des Buches hat ein wenig an Fahrt verloren, weil eigentlich klar war, worauf es hinauslaufen würde, und auch der "Endkampf" fiel in meinen Augen ein wenig zu glatt aus.

Fazit:
Das Buch bietet die gewohnte King-Genialität: starke Charaktere, menschliche Abgründe, süffiger Schreibstil, subtile Gruselmomente. Mich konnte es durchgängig fesseln, lediglich zum Ende hin zogen sich die Ereignisse leicht, und die Bösewichte waren mir eindeutig zu zahm.
4,5 von 5 Sternen, aufgerundet auf 5