Rezension

Was der Zeitgeist mit uns macht

Das Buch vom Zeitgeist - Kirstine Fratz

Das Buch vom Zeitgeist
von Kirstine Fratz

Bewertet mit 4 Sternen

„...Der Zeitgeist, der Lifestyle und die Industrie leben ganz gut von dieser unserer Angst, nicht zu genügen, nicht anerkannt und geliebt zu werden...“

 

Die Autorin ist Kulturwissenschaftlerin und Zeitgeist-Expertin. In 11 Kapiteln beleuchtet sie das Phänomen Zeitgeist. Sie legt dar, was Zeitgeist ist und wie er uns beeinflusst.

Dabei durchzieht der Inhalt des obigen Zitats wie ein roter Faden das Buch. Wir wollen dazu gehören. Also machen wir jeden Trend mit und sorgen dafür, dass er Dynamik und Gewicht erhält.

Die Rezension zu dem Buch fällt mir nicht leicht, weil es völlig unterschiedliche Gefühle in mir ausgelöst hat. Ich gehe gern mit der Behauptung mit, dass der Zeitgeist

Entwicklungen steuert und ein Antrieb für die Gesellschaft ist. Mir fehlt aber der Blick auf die Gefahren. An vielen Stellen wird deutlich herausgearbeitet, wie geschickt die Manipulation der Massen funktioniert. Die Autorin erklärt, wie man die Anfänge neuer Trends erkennt und dann auf den Zug aufspringen kann und sollte. Und wenn ich das nicht will? Die Möglichkeit wird nur wenig thematisiert. Mehrmals aber wird mir suggeriert, dass ich dann eben nicht zu den Erfolgreichen gehöre, wie auch das folgende Zitat belegt.

„...Der Zeitgeist entscheidet darüber, ob unser Ich in seiner Zeit als erfolgreich gilt oder nicht...“

Es legt nahe, dass man sich dem Zeitgeist anzupassen hat. Allerdings weist die Autorin darauf hin, dass der sich circa alle 7 Jahre ändert. Demzufolge wäre ich gezwungen, dann mein Leben den neuen Anforderungen anzugleichen.

Sehr detailliert legt die Autorin dar, wie der Zeitgeist alle Seiten des Daseins durchdringt. Die Art der konsumierten Drogen ist ebenso ein Zeichen der Zeit wie die politischen Verhältnisse und wirtschaftliche Gegebenheiten. Letzteres nutzt den durch geschickte Werbung zur Gewinnmaximierung.

Der Schriftstil lässt sich gut lesen. Fachbegriffe erschließen sich aus dem Kontext. Vielfältige Beispiele verdeutlichen das Gesagte. Ab und an ist ein feiner Humor zu spüren. Als besonders positiv habe ich die kursiven Abschnitte empfunden. Dort wertet die Autorin praktische Forschungsergebnisse und Gespräche mit Probanden aus.

Das Buch ist in einem christlichen Verlag erschienen. Wer nun erwartet, dass Glaubensfragen unter dem Licht des Zeitgeistes betrachtet werden, wird enttäuscht sein. Der Glaube spielt im Buch so gut wie keine Rolle. Auch das Thema „bleibende Werte“ wird nur kurz erwähnt.

Andererseits wagt die Autorin einen Blick in die Zukunft und stellt unterschiedliche mögliche Entwicklungen des Zeitgeistes dar. Dabei erwähnt sie allerdings, dass nur minimal veränderte Randbedingungen zu einer völlig anderen Konstellation führen können.

Ein ausführliches Glossar und ein Vorwort ergänzen das Buch.

Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen, auch wenn ich es mit kritischem Blick gelesen habe. Mit einem letzten Zitat möchte ich meine Rezension beenden:

„...Sobald das Alte zu viel Spannung erzeugt, sei es, weil es uns zu einseitig, zu streng, zu selbstverständlich oder zu langweilig wird, liefert uns der Zeitgeist neue Ideen...“