Rezension

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin - Mir die Worte

Was fehlt, wenn ich verschwunden bin
von Lilly Lindner

Bewertet mit 5 Sternen

Meine Meinung

Wie immer beginne ich mit dem Titel und Cover. Was fehlt, wenn ich verschwunden bin? Mir kam da gleich folgende Assoziation in den Sinn nach dem ich es gelesen habe... DU. Das Cover find ich wunderschön, beruhigend. Im ersten Augenblick ist von allem dem Drama, dem Schmerz, der Wut, der Verzweiflung und Trauer gar nichts zu sehen. Und doch, die auseinanderstiebenden Vögel, die aus dem Zentrum, dem Ich, in die Ferne fliegen, zeigt die Auflösung!! Die Auflösung vom Ich. Die Leichtigkeit die sich einstellt wenn man verschwindet....

Was den Schreibstil von Lilly Lindner angeht... Der ist sicher nicht für jeden so fantastisch wie für mich. Mich hat er verzaubert denn sie hat eine wunderbare Gabe mit den Worten zu spielen. Sie auseinander zu nehmen und wieder neu zu ordnen, logisch, kindlich und doch so wahr. Die Worte haben eine tiefe Wahrheit und die Geschichte mit all den Worten trägt so viel Weisheiten in sich.

Die Geschichte wird in Briefformat erzählt. Nichts neues, eigentlich und doch speziell, denn es ist nicht der klassische Briefwechsel oder Mailverkehr den wir sonst schon kennen. Warum das so ist Erzzahl ich euch gleich.

Also, es geht um Pheobe, sie schreibt Briefe an ihre kranke, in einer Klinik weilenden, Schwester. April ist sehr krank, sie leidet seit Jahren an Magersucht. Pheobe schreibt ihr also Briefe in die Klinik damit sie nicht ganz so abgeschnitten ist von ihr, und natürlich April nicht von der Familie. Doch so verzweifelt und doch voller Hoffnung sie auch schreibt, sie bekommt nie eine Antwort... Pheobe schreibt in ihren Briefen wie ihre Tage waren, das sie hofft April bald gesund wieder zu Hause zu haben, das sie sie vermisst und wie schlimm es zu Hause ist. Das Sie selber nur ein halber Mensch ist ohne sie. Auch erzähl sie das sich die Eltern nur noch streiten und sie ständig an motzen oder anschreien oder sie gar weg schicken, und dass, egal was sie tut es falsch ist. Pheobe ist verzweifelt, wütend, ängstlich und verwirrt, sie versteht mit ihren wenigen Jahren noch nicht ganz was Magersucht wirklich bedeutet, auch wenn sie es tief in ihrer Seele schon ahnt.

Leider sind die Eltern dabei auch keine Hilfe denn die sehen nur sich, ihr Leid, ihre Strapazen. Sie fragen sich was für eine Tochter sie da haben der nichts anderes in den Sinn kommt als sich zu Tode zu hungern. Auch gegenüber Pheobe nehmen sie ihre elterliche Verantwortung nicht war. Anstatt sie zu trösten, ihr zu erklären was passiert, für sie da zu sein, schweigen sie es tot. Kritisieren ständig an ihr herum und lassen sie schlichtweg alleine mit den Ängsten und der Trauer. Die Eltern kommen bei mir alles andere als gut weg. Sie sind so was von kaltschnäuzig, rechthaberisch und Ich-bezogen. Verantwortung übernehmen ist für sie ein Fremdwort, lieber immer den Kindern die Schuld für alles geben. Nur weil es keine Schönwetterkinder sind! So können sie halt auch keine Schönwettereletern sein. Sie sind überfordert mit diesen beiden klugen Mädchen, was aber viel schlimmer ist,sie machen sich nicht mal erst die Mühe es zu versuchen!

Die Geschichte ist in 2 Teilen aufgebaut, im ersten Teil bekommen wir die Briefe von Pheobe an April zu lesen, dann, im zweiten, die von April an Pheobe. Je mehr Briefe man liest je mehr kann man die beiden Mädchen verstehen. Sie wachsen einem dermassen ans Herz das es weh tut.

Für mich ist die Rezi nicht ganz einfach, weil mich das Buch sehr emotional berührt hat,es gab Momente, da musste ich das Buch weglegen weil es mich so mit genommen hat. Ich war so wütend, auf die Eltern, ich war so traurig über die Situation. ich konnte die Verzweiflung, die Trauer und die Aufgabe richtig fühlen, mir hat es den Brustkorb eng gemacht... Und ich muss aufpassen das die Rezi, ob wohl ich eine Nacht drüber geschlafen habe, nicht ausufert.

Das Thema Magersucht mag für einige zu wenig Zentral sein, was ich nicht ganz nachvollziehen kann. Denn im 2 Teil kommt das Thema schon sehr zum tragen, find ich, man muss manchmal einfach zwischen den Zeilen lesen. Gut im ersten Teil natürlich weniger, weil alles aus der Sicht von Pheobe geschrieben ist, aber im zweiten wird es schon sehr thematisiert, wenn auch in den leisen tönen, halt so wie April leise ist, oder eben fast gänzlich verstummt.

Für mich war das Buch rundum ein aussergewöhnlich. Rein Sprachtechnisch ist es eine Perle, wie ich finde. Und ich werde ihre anderen Bücher sicher auch noch lesen, wenn nicht gleich im Anschluss, denn das wär mir dann doch zu heftig, ich muss dieses erst mal noch sacken lassen.

 

Mein Fazit

dramatisch, herzerreissend, traurig