Rezension

Was für ein Buch!

Die Bücherdiebin
von Markus Zusak

Bewertet mit 5 Sternen

Deutschland 1939: Die Geschichte der 9-jährigen Liesel, deren Eltern deportiert wurden. Sie stiehlt Bücher und versucht mit ihren Pflegeeltern und einem im Keller versteckten jüdischen Boxer zu überleben, während die ersten Bomben fallen.

1939. Liesel, die Bücherdiebin, ist neun Jahre alt, als sie zum ersten Mal zuschlägt. Noch kann sie nicht einmal den Titel lesen, aber sie hütet das Buch wie einen Schatz: ein Buch, das während der Beerdigung ihres kleinen Bruders dem Totengräber aus der Tasche rutscht und das sie in einem verstohlenen Moment aus dem Schnee klaubt. Auf dem schwarzen Umschlag steht in silbernen Buchstaben: "Handbuch für Totengräber. Herausgegeben von der Bayrischen Friedhofsvereinigung".
Das Buch wird schon wenige Stunden später ihre letzte Verbindung zu ihrem Bruder und zu ihrer Mutter darstellen. Denn Liesel soll die kommenden Jahre bei einer Pflegefamilie im Münchner Hinterland verbringen: bei den Hubermanns, Himmelstraße 33, Molching, wo sie in den nächsten Jahren viel zu tun bekommen wird. Genauso wie jemand anderes: der Tod.

Der Tod ist es auch, der die Geschichte der Bücherdiebin erzählt, so feinsinnig und einfühlsam, wie es nur dem einen möglich ist, der Tag für Tag menschliche Seelen auf ihrer letzten Reise zu begleiten hat...
Im Vorwort wählt der Tod eine überaus poetische Sprache und gewährt so eine liebevolle Einführung. Vor allem seine Liebe zu der Vielfalt der Farben hat mich bezaubert. Die Poesie der Worte zieht sich auch durch das gesamte Werk, doch wählt Zusak für die eigentliche Erzählung eine jugendgemäße Sprache mit meist kurzen Sätzen, und durch den Einsatz des Todes als Erzähler sowie durch die Aneinanderreihung oft kurzer Szenen schafft er eine eher distanzierte Beschreibung der Umstände. Dennoch fesselt er - und berührt...

Die Kargheit der Lebensumstände der heranwachsenden Liesel, die unverbrüchlichen Freundschaften der Kindheit, die allmähliche Annäherung von Liesel und ihren Pflegeeltern, die wachsende Bedrohung durch das Naziregime und den Krieg, all das bringt Zusak in einfachen, klaren Worten zum Ausdruck. Deutlich wird - ganz ohne den moralisch erhobenen Zeigefinger - wie schmal der Grat ist zwischen Mitläufertum und Verrat: Verrat am Nazideutlschland einerseits, Verrat an den Opfern andererseits.
Wie ein roter Faden zieht sich dabei Liesels Bücherdiebstahl durch die Erzählung. Bücher als Ersatz für Verlust, Bücher als Trost, Bücher als heimliche Freude - und immer deutlicher wird die Bedeutung der Macht der Worte.

Ein außergewöhnliches Buch, erzählt aus außergewöhnlicher Perspektive, mit einer wunderschönen schlichten, oft aber auch sehr poetischen und bildgewaltigen Sprache.
"Lakonisch und anrührend, witzig und traurig (...) Ein Buch auch, über das man beinahe so viel Gutes sagen möchte, wie es Seiten hat" steht hinten auf dem Einband. Eine Aussage, der ich mich nur anschließen kann. Volle zehn Punkte und ein Platz unter meinen Favoriten...

Kommentare

Karithana kommentierte am 03. März 2014 um 21:52

Danke für die Rezi. Ich muss zugeben, dass ich erst durch den Film darauf aufmerksam wurde. Aber das lesen lohnt sich wohl auch sehr :-)

Naibenak kommentierte am 13. März 2014 um 09:11

Schöne Rezi, die mir total aus dem Herzen spricht :) Ich lese dieses so besondere Buch nun auch endlich und bin überwältigt! ♥

parden kommentierte am 11. April 2014 um 07:09

An den Film habe ich mich bislang nicht herangetraut.