Rezension

Was geschah vor 15 Jahren?

Die Schwester - Joy Fielding

Die Schwester
von Joy Fielding

Bewertet mit 4 Sternen

Der Albtraum aller Eltern ist es, ein Kind zu verlieren.
Caroline und ihr Mann wollen mit der gesamten Familie ihren Hochzeitstag in Mexiko feiern. 
Während sie abends, nicht weit weg, feiern, verschwindet die 2-jährige Samantha spurlos aus ihrem Kinderbett und scheint unauffindbar zu sein.

Seit dem sind 15 Jahre vergangen und der Jahrestag rückt näher heran.
Die Ehe der beiden konnte dieser Belastung nicht Stand halten und ist gescheitert. Hunter, der Vater, hat inzwischen ein zweites Mal geheiratet, während Caroline mit ihrer älteren Tochter Michelle allein blieb. 
Die Medien meinten es damals nicht gut mit ihr, gab sie sich doch kalt und emotionslos. Noch heute sind jedoch die Medien an dem Fall interessiert und belagern regelmäßig zum Jahrestag ihr Telefon. Die Zeitung veröffentlicht, wie Samantha heute aussehen würde und Reporter belagern sie.
Da bekommt Caroline einen Anruf aus Calgary, Kanada, von einem jungen Mädchen, das glaubt, ihre Tochter Samantha zu sein.
Was soll sie tun? Anrufe dieser Art hatte sie schon des Öfteren, die verliefen jedoch immer im Sand. Die Emotionen kochen hoch, sie schwankt zwischen Hoffnung und Resignation. Wie soll sie sich entscheiden? ...

15 Jahre ist es her, dass Samantha spurlos verschwunden ist. Verschwunden bis heute. Für Caroline ein 15 Jahre anhaltender Albtraum, aus dem sie nie erwacht ist.
Die Hoffnung jedoch ist nie verschwunden. Oft schon ist sie Hinweisen nachgegangen, jedes Mal wurde sie tief enttäuscht.
Wie soll sie nun auf den Anruf eines jungen Mädchens reagieren, das die Vermutung äußert, sie wäre vielleicht ihre Tochter? Ist es denn doch noch möglich, dass Samantha lebt?
Sie lässt sich auf dieses Abenteuer ein und rollt damit Dinge aus der Vergangenheit auf, die ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.

Das Verschwinden der kleinen Maddie in Portugal brachte der Autorin für diesen Roman die Inspiration. Die Ausgangspositionen sind in etwa identisch, Joy Fielding hat daraus eine Geschichte geschrieben. 
Es ist eine Geschichte, die den Leser gespannt Seite für Seite lesen lässt. Die Frage, die sich dem Leser stellen, ist dieses junge Mädchen die verschwundene Samantha und wenn ja, wie wird man damit fertig? Ist sie es nicht, wie kommt man mit einem neuerlichen Fehlschlag klar?

Sehr genau und detailliert hat die Autorin die Gefühle der Mutter Caroline wiedergegeben, ihre Ängste, ihre Hoffnungen, alles sehr gut nachvollziehbar. Aber auch das Seelenleben der Tochter Michelle, die ihr Leben lang mit dem Geist von Samantha aufwuchs. Diese stellt sich mehr als einmal die Frage, würde ihre Mutter diesen ganzen Aufwand auch betreiben, wenn sie das Mädchen gewesen wäre, das verschwunden ist?
Es gibt heftige Reibereien zwischen Mutter und Tochter, bis die Fetzen fliegen. 
Als dann das Mädchen in ihr Leben tritt, versucht sie ihre Mutter von weiteren Enttäuschungen zu bewahren. Sie kann nicht glauben, dass es sich tatsächlich um ihre Schwester handeln sollte.

Es ist ein sehr emotionales Buch, die Belastungen, denen die einzelnen Protagonisten ausgesetzt sind, sind nachvollziehbar und absolut glaubhaft.

Ganz langsam erfährt der Leser, was sich genau vor 15 Jahren in Mexiko abgespielt hat.
Die Geschichte spielt auf 2 Zeitebenen, im Heute und in der Zeit von vor 15 Jahren. Erinnerungen, die verschüttet waren, werden real und eine unglaubliche Wahrheit offenbart sich den Beteiligten und somit auch dem Leser.

Ich habe dieses Buch als Hörbuch erleben dürfen und somit der Stimme von Petra Schmidt-Schaller gelauscht. Eine sehr angenehme Stimme, die die einzelnen Protagonisten und Stimmungen sehr gut wiedergeben konnte.

Das Buch ist gespickt mit emotionalen Dialogen und mit Protagonisten, die ihre eigene Geschichte haben. Ein Buch, dass einen nicht ruhen lässt, bis man mit ihm fertig ist, egal, ob gelesen oder gehört.