Rezension

Was ich fast vergessen hatte

Was ich fast vergessen hatte -

Was ich fast vergessen hatte
von Claire Stihlé

"Es ist, als trage der Wind vom Meer die Sorgen fort."

In dieser Geschichte geht es um Lorianne, die sich genau diese Fragen stellt und ihrem Mann Gaspard gleich mit einem Satz um die Ecke kommt, den er gar nicht für bare Münze nimmt – in Lorianne aber sehr arbeitet. Daraufhin bricht sie auf, mit seiner Unterstützung, setzt sich in der Provence ab und geht ihrem Traum einer eigenen Buchhandlung nach. Jetzt müsste es sich endlich gut anfühlen, oder? Doch Lorianne ist zwiegespalten. Sie trifft auf die ältere Dame und die Vorbesitzerin des alten Ladens, Maribel, die ich einfach umwerfend fand. Wie sie dort auf ihrem Sessel saß und stickte – immerzu ein weises Wort. Maribel war für Lorianne so etwas wie ein innerer Antrieb, ein Zahnrad, dass sie mitunter in Bewegung brachte, mit ihren zarten und doch durchdringenden Worten. Das, was Maribel sagte und erzählte, hallt jetzt noch in meinen Gedanken nach. Ich würde es ganz genauso sagen. Was genau ihre Worte waren, verrate ich dir aber nicht. Die musst du lesen, denn sie gehen runter wie Öl und wer weiß, vielleicht ist sie auch für einen Moment dein Zahnrad.

Auf den nächsten Seiten trifft Lorianne erneut auf Amaury. Vorher hat dieser ihr nämlich ihre jetzige Wohnung in der Provence vermietet. Schon da war ein Funken zu spüren, den Lorianne, aber auch Amaury, sofort gespürt hatten. Die beiden verstehen sich blendend und kurzerhand erleben die beiden eine intensive Beziehung miteinander. Auf der einen Seite habe ich mir gedacht: »Wie kann sie denn Gaspard bitte fremdgehen?« Und doch konnte ich es verstehen, denn zwischen Gaspard und ihr herrscht nicht nur keine Leidenschaft mehr. Der Alltag schmeckt wie trockenes, gammeliges Brot und Gaspard hat von Verständnis nicht zu wenig, weshalb er Lorianne oft bevormundet oder ihr Dinge abnimmt, die sie allein schaffen möchte. Er nimmt ihr wirklich alles ab, obwohl sie den Weg allein bestreiten will. Lorianne schubst ihn zwar immer wieder darauf, aber er versteht es nicht. Will es vielleicht nicht sehen? Viele Reibungspunkte führen dazu, dass Amaury Lorianne sehr gefällt und sich auf ihn einlässt. Was ich verständlich fand, wenngleich es ein Fehler war zweigleisig zu fahren. Sie ist aber so ehrlich, dass sie über kurz oder lang Gaspard den Fehler gesteht. Dieser ist aber recht wenig überrascht, da er die Anziehung zwischen den beiden schon gespürt hat. Gaspard scheint mir ein sehr feinfühliger Mann zu sein, der versucht es jedem Recht zu machen, und doch nicht reflektiert genug ist, um die Worte seiner Frau zu verstehen und etwas zu ändern. Was natürlich Lorianne irgendwie verzweifeln und zu diesen „Maßnahmen“ greifen lässt. Damit meine ich nicht das Fremdgehen, sondern den eigenen Weg gehen zu wollen und Abstand zwischen beide zu bringen.

Und so geht es immer weiter. Eine alte Liebe, die vielleicht wieder zueinanderfindet oder eine neue Liebe, die wie knackendes Holz im Kamin immer heißer wird? Dazwischen Momente in der Bibliothek, die wundervolle Maribel und die Fragen und Weisheiten des Lebens – mit einer ganz besonderen Überraschung, oder auch zweien.