Rezension

"Was man in der Jugend wünscht, hat man im Alter die Fülle" (J.W. v. Goethe)

Tee mit Mrs Dallimore - Erica James

Tee mit Mrs Dallimore
von Erica James

Bewertet mit 5 Sternen

Lizzie hat ihren Job als Rechercheurin bei einem Londoner Radiosender verloren, weil sie sich auf ein Verhältnis mit ihrem Chef eingelassen hat, der auch noch verheiratet und Vater ist – ein absolutes No-Go! Durch die fehlende Einnahmequelle kann sie sich London nicht mehr leisten und kriecht bei ihren Eltern in ihr altes Kinderzimmer auf dem Land unter, um dort ihr Mütchen zu kühlen und sich von ihrer Pechsträhne zu erholen. Über ihre Mutter, die ehrenamtlich in einem Seniorenheim arbeitet, findet sie einen Aushilfsjob und lernt dort Mrs. Clarissa Dallimore kennen. Die alte Dame hatte ein bewegtes Leben und immer, wenn Lizzie Pause hat, erzählt Mrs. Dallimore ihr von ihren Erlebnissen, die so spannend wie einschneidend sind, dass Lizzie ihre eigenen Probleme bald hinter sich lässt und den Mut aufbringt, ihrem Leben einen neuen Sinn zu geben…

Erica James hat mit ihrem Buch „Tee mit Mrs. Dallimore“ einen wunderschönen gefühlvollen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, mitreißend und emotional, der Leser wird direkt in die Geschichte hineinkatapultiert und darf mal an der Seite von Lizzie, mal an der von Clarissa stehen, um mehr über ihr Leben, ihre Gedanken und Gefühle zu erfahren und die Beziehung der beiden zueinander zu erleben. Die Handlung wird auf zwei Zeitebenen erzählt, die eine behandelt die Gegenwart von Lizzie und Clarissa, während die zweite die Vergangenheit von Clarissa beleuchtet und der Leser so von einem sehr bewegten Leben erfährt mit vielen Schicksalsschlägen, aber auch einer tiefen Verbundenheit zu guten Freunden. Die Autorin weiß sehr geschickt ein Leben auf dem Land während des Zweiten Weltkriegs in England zu schildern, hält die Lebensmittelknappheit sowie die schlimmen Verluste von Angehörigen wieder vor Augen, aber auch den Zusammenhalt der Menschen auf dem Land sowie die Aufnahme von entsandten Kindern, um diese mit durch die schwere Zeit zu bringen und ihnen ein Zuhause zu geben. Durch die Perspektivwechsel wird nicht nur die Spannung auf einem guten Niveau gehalten, sondern zeigt auch Parallelen auf zwischen verschiedenen Familienverhältnissen, die jedoch alle füreinander da sind und sich gegenseitig stützen.

Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und mit individuellen Eigenschaften versehen worden. Sie wirken sehr lebendig, glaubhaft und authentisch, was es dem Leser leicht macht, mit ihnen zu fühlen, zu leiden und zu hoffen. Lizzie ist eine junge Frau, die sich von einem Fettnäpfchen ins andere rettet. Sie suhlt sich eine Weile in ihrem Selbstmitleid, doch durch ihre Freundschaft zu Clarissa sowie die Arbeit im Seniorenheim wird ihr Blick für die Dinge um sie herum wieder frei und offen. Lizzie ist eine sympathische Protagonistin, die ehrlich und hilfsbereit ist. Sie trägt das Herz auf der Zunge, ist impulsiv und stolpert mehr durchs Leben, anstatt auf festem Fuß zu stehen. Je mehr Kontakt sie zu Clarissa hat und den Rückhalt ihrer Familie spürt, umso stärker wirkt sie und packt endlich ihr Leben an. Clarissa ist einfach eine Frau, die man lieben muss. Sie besitzt einen guten Humor, ist trotz vieler Schicksalsschläge nicht mutlos und hat einiges an Weisheit parat, was zu Lizzie durchdringt und ihr so ermöglicht, neue Wege zu gehen. Auch die übrigen Protagonisten wie Mr. Sheridan, Luke, Lizzies Eltern, Simon oder auch Ingrid tragen dazu bei, dass dem Leser eine sehr schöne und in sich geschlossene Handlung präsentiert wird.

„Tee mit Mrs. Dallimore“ ist ein Roman, der sich in zwei Handlungen aufteilt, die aber ineinandergreifen und so eine tolle Lektüre ergeben. Eine Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft und dass man von alten Menschen doch sehr viel lernen kann. Eine echte Entdeckung und eine mehr als verdiente Leseempfehlung!