Rezension

Was passierte 1517 noch alles? Dieses Buch erzählt es.

1517 - Heinz Schilling

1517
von Heinz Schilling

Bewertet mit 4 Sternen

»Damit steht auch die These von der einmaligen universalgeschichtlichen Modernisierungswirkung der im Ablassprotest 1517 geborenen Reformation in Zweifel, die mit der Aufklärung in das allgemeine Geschichtsbild des »Westens« eingegangen ist. In diesem Buch soll das »Epochenjahr 1517« in einem weiten, »globalen« Verständnis von Weltgeschichte neu vermessen werden. Dabei ist die Lupe der Wittenberger Feldforschung zu ergänzen durch das Fernrohr, das die welthistorischen Entscheidungen im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit auch anderwärts in Europa und der weiteren Welt erkennen lässt.«

Dem Jahr 1517 wird in diesem Jahr besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt. Schließlich ist es das Reformationsjahr, das Jahr, in dem bedeutende Weichen für die Zukunft gestellt wurden. Allerdings verbinden die meisten Menschen mit dem Jahr 1517 ausschließlich Luther und seinen Thesenanschlag. Dieses Buch gewährt einen umfassenden Blick auf das Epochenjahr und schildert, wie viele weitere, hochinteressante Ereignisse es prägten.

Was alles geschah 1517 bzw. in den Jahren davor und danach? Welche bedeutenden Persönlichkeiten und Reiche gab es, wie dachten die Menschen, wie war ihr Weltbild? Welche Folgen hatte ihr Handeln und welche Weichen wurden für die Zukunft gestellt?

 

Wenn man versucht, sich in die Menschen des frühen 16. Jahrhunderts hineinzuversetzen, muss man zunächst einmal die Bedeutung verstehen, die sie Gott (oder je nach Religion Göttern) beimaßen. Man glaubte fest an den alles beherrschenden Gott, der durchaus auch unmittelbar in das Weltgeschehen eingriff, der Zeichen sandte, strafte und zürnte. Und daran, dass das irdische Leben nur eine Station auf dem Weg zum eigentlichen, ewigen Leben ist. Dieses Weltbild ließ, trotz der Bedeutung des Glaubens, eine enorme Menge an Aberglauben zu - und das quer durch alle Stände und Kulturen. Das Buch analysiert dies, erläutert die Ursachen und die Auswirkungen, thematisiert Religionskriege und den Status von Papst und Kirche.

Aber auch abseits der Religion geschah unheimlich viel. So findet der Leser Infos zu Entdeckungen und Fürstenhäusern, zu Kunst und Kunstgeschichte, zur weltpolitischen Situation, zu Azteken, zum Reich der Mitte und zum Osmanischen Reich. Dabei staunte ich manches Mal über den enormen Detailreichtum, mit dem der Autor seine Ausführungen betreibt und über so einige faszinierende Infos, von denen ich zuvor noch nie gehört hatte. Beispielsweise war mir selbstverständlich Kopernikus ein Begriff - allerdings hatte ich keine Ahnung davon, dass er der erste war, der 1517 die Quantitätstheorie des Geldes formulierte. Auch die Ausführungen zum damaligen Frauenbild fesselten mich sehr und überraschten mich an mehr als einer Stelle.

 

Der Autor ist emeritierter Professor für Europäische Geschichte - das merkt man deutlich. Er schöpft bei den vielen Infos wirklich aus dem Vollen, bringt reichlich Zitate, sowohl in Latein als auch in altdeutscher Sprache. Das Ergebnis liest sich nicht immer sehr leicht und für einige Kapitel musste ich mir schon Zeit nehmen. Die Sprache ist dabei sehr sachlich, was dazu führte, dass mir einige Themengebiete, die mich nicht wie andere fesselten, etwas trocken erschienen und ein paar Ausführungen für mein Empfinden etwas zu theoretisch wurden.

 

Natürlich wird auch Luther Aufmerksamkeit geschenkt und sein Tun im geschichtlichen Kontext beleuchtet. Auch dies war ein sehr interessanter Abschnitt! Außerdem gefiel mir das Schlusskapitel, in dem es unter anderem um Fremdheit und Nähe geht und in dem neben den Unterschieden auch Gemeinsamkeiten zur Jetztzeit herausgearbeitet werden.

 

Fazit: Was passierte 1517 noch alles? Dieses Buch erzählt es. Umfassend, informativ und detailreich.