Rezension

Was soll jetzt noch kommen?

Es wird Zeit - Ildikó von Kürthy

Es wird Zeit
von Ildiko von Kürthy

Bewertet mit 5 Sternen

Im neuen Roman von Ildikó von Kürthy "Es wird Zeit" geht es auch ums Älterwerden und Loslassen. Mit viel Humor und Empathie gelingt es ihr, auch den traurigsten Momenten etwas Tröstliches abzugewinnen. Die Autorin ist den Fragen nachgegangen, die uns bewegen, wenn wir älter werden, bis dahin, wo es weh tut. Hartnäckig und trotzdem sehr feinfühlig, immer die eigenen Ängste im Visier. Denn diesmal ist es ernst. Romanheldin Judith kehrt nach 30 Jahren mit der Urne ihrer Mutter auf dem Beifahrersitz in ihre Heimat zurück. "So hatte ich mit das nicht vorgestellt. Seit Jahren frage ich mich, wie es sein wird, wenn wir uns wiedersehen." So beginnt der Roman.  "Was soll jetzt noch kommen?" Judith ist fast 50, und auf diese Frage fällt ihr leider keine zufriedenstellende Antwort ein. Die Kinder sind groß, ihr Mann ist in die Jahre gekommen und das Leben auch. Dann stirbt ihre Mutter, und Judith kehrt nach 20 Jahren in die alte Heimat zurück, wo sie ein gut gehütetes Geheimnis, ein leeres Grab und einen Haufen Hoffnungen, Träume und Albträume zurückgelassen hat. Und plötzlich gerät alles aus den Fugen. Eine lebenslange Lüge stellt sich als Wahrheit heraus. Und die wieder gefundene Freundin hofft, den nächsten Sommer noch zu erleben. Eine Jugendliebe funkelt vielversprechend, eine Urne macht Umwege, und Judith erkennt, dass es besser ist, sich zu früh zu freuen, als überhaupt nicht. In Ildikó von Kürthy's neuem Roman geht es um Lebenslügen, Krankheit, Abschied und Tod. Es ist eine Geschichte von Schuld und Freundschaft, vom Älterwerden und vom Jungbleiben, es geht um die Heimat, die Liebe und den Tod und darum, dass am Ende nichts verlorengehen kann. Sie ist für Frauen jeden Alters unterhaltsam. Witzig, frisch und bei aller Fiktion ganz echt. Mitten aus dem Leben! Ein herzhafter, humorvoller und sympathischer Roman, über den man sich (auch) köstlich amüsieren kann. Die tollpatschige und von Selbstzweifeln geplagte Protagonistin, die vor Schreck über das unverhoffte Wiedersehen auf einem Friedhofsgrab landet, wird plötzlich ihrer alten Liebe gegenüberstehen. So weit. So bekannt. Nur handelt es sich diesmal bei der alten Liebe nicht um einen Mann, sondern um eine Frau. Okay, die Affäre aus Jugendjahren kommt natürlich auch noch vor, wenn Protagonistin Judith wegen der Beerdigung ihrer Mutter aus Hamburg in ihre alte Heimat ins Rheinland zurückkehrt, aber im Mittelpunkt des neuen Romans steht diesmal die Freundschaft. Anne, Judiths beste Freundin aus Jugendjahren, die sie wegen eines Missverständnisses seit 20 Jahren nicht gesehen hat, ist an Krebs erkrankt - mit einer entmutigenden Prognose. Das klingt nicht nach Leichtigkeit, Ironie und Lebenslust. Der Eindruck täuscht. Die beiden Freundinnen, die sich behutsam wieder annähern, geben nicht auf und bieten dem Schicksal gemeinsam die Stirn. Sie erleben großartige, intensive und sehr, sehr lustige Momente – unter anderem auf dem Friedhof, bei der Chemotherapie und dem Versuch, ein Kanu mit Mist zu füllen – und zwar nicht trotz, sondern wegen Annes Krankheit und ihrer Angst vor dem Tod. Die Frauen weinen und lachen zusammen und erinnern sich immer wieder daran, dass man sich nicht zu früh freuen kann. Unterstützung erhalten sie dabei von einem schwulen Pärchen. Herrlich bunt und hinreißend ehrlich beschreibt die Autorin das Leben, Lieben und Leiden von Judith. Ausgesprochen witzig und schwungvoll erzählt sind Kürthys Einblicke in die verwirrte moderne Frauenseele. Dieser Frauenroman ist geistreich, voller Witz und selbstkritischem Spott. Teilweise Traurig, manchmal etwas melancholisch. Manches witzig und zum schmunzeln. Absolut vielseitig. Trotz Tragik und Trauer gibt es hier kein Drama. Zum Seufzen schön. Ein Buch, das auf jeder Seite Spaß macht, eine Frauengeschichte wie sie die Realität schreibt.