Rezension

Was soll werden, wenn du plötzlich erblindest?

Der unsichtbare Garten - Karine Lambert

Der unsichtbare Garten
von Karine Lambert

Bewertet mit 3.5 Sternen

Gehobene Unterhaltungsliteratur zum Thema 'Blindsein' – einiges etwas verkürzt, stilistisch oft hölzern

Ich bin sehr zwiegespalten, was dieses Buch anbetrifft. Einiges finde ich gut, anderes hat mich gestört. Mir persönlich hat das Buch nicht besonders gut gefallen, aber ich kann verstehen, wenn jemand es gerne gelesen hat.

Es geht um Vincent und sein Leben. Er ist noch jung, gut aussehend, erfolgreich im Beruf als Tennislehrer und will gerade mit seiner Freundin zusammenziehen, da bricht die Katastrophe in Form einer schrecklichen Diagnose über ihn herein: er wird erblinden und zwar schnell.

Was nun? Wie wird Vincent damit umgehen? Wie seine Eltern, die Verlobte, Freunde und Kollegen? Zweifellos ist nicht nur Vincent selbst betroffen, sondern auch seine Umwelt. Es ergeben sich viele Fragen, die auch den Leser beschäftigen:

  • Wärst du lieber taub oder blind?
  • Was ist schlimmer: geburtsblind oder späteres Erblinden?
  • Wie sind die Hilfsangebote und Reaktionen der anderen Menschen einzuschätzen und zu beurteilen?
  • Wieviel Hilfe braucht man, wieviel kann man ertragen?

"Was wird aus einem Menschen, wenn ihm das, was der eigenen Existenz Sinn verliehen hat, brutal entrissen wird?"

Das klingt nach einem ernsten Buch mit viel Stoff zum Nachdenken. Allerdings scheiden sich die Beurteilungen der Leser bei den Reaktionen aller Beteiligten: Ist Vincent unvernünftig? Stur? Wollen seine Eltern ihn bevormunden? Ist die Mutter übergriffig? Wie ist die Reaktion seiner Verlobten zu beurteilen? Wird es Vincent gelingen, sich ein Leben als Blinder einzurichten? Kann ein Blinder eine Sehende lieben? Mit ihr eine Familie gründen?

Etliche Reaktionen haben mich den Kopf schütteln lassen und im Ganzen ging mir alles zu schnell. Manches wird nur kurz angerissen und man hätte als Leser gerne mehr erfahren. Einiges fand ich unrealistisch und realitätsfern und der Garten, der den Titel gibt, kommt erst im letzten Drittel zum Tragen und entfaltet erst spät die im Klappentext beschriebene Wirkung.

Was mir gefallen hat, sind eingeschobene Tagebuchseiten in Handschrifttype, deren Buchstaben mit fortschreitender Erblindung immer größer werden, aber auch Vincents Entwicklung spiegeln, angefangen von einer unrealistischen Bucket-Liste (was willl ich noch alles tun und sehen?) bis hin zu Namen von Tomaten, die sein Interesse verdeutlichen, seine Leidenschaft für den Garten. Vincent findet eine tiefe Befriedigung bei all den Sinneseindrücken, die die Natur bietet und vermag das auch anderen Menschen zu vermitteln.

Das Ende mag man als leicht kitschig ansehen, aber ich muss gestehen, dass es mir gefallen hat ;-). Es passt zum Roman.

Was mir nicht gefallen hat, ist der oft einfache Satzbau, gleiche Satzanfänge, kurze Sätze, hölzerne, unnatürliche Dialoge. Mag sein, dass die Autorin das als Stilmittel einsetzt, vielleicht ist es ihre Art zu schreiben, eine, die den Leser aber auf Distanz hält.

Erwähnt werden muss noch das wunderschön gestaltete Cover: stilisierte, bunte Pflanzen auf dem Hardcover, der Umschlag ein milchiges Weiß, was die Erblindung visuell deutlich macht.

Wer gerne gehobene Unterhaltungsliteratur liest und sich an einem Hauch Kitsch nicht stört, der wird sich mit dem Buch gut unterhalten fühlen.