Rezension

Was wäre, wenn?

Der Mann, der zu träumen wagte
von Graeme Simsion

Bewertet mit 3 Sternen

Was wäre, wenn...

... nach mehr als zwanzig Jahren die unvergessene Jugendliebe sich meldet? Der Alltag läuft gut; Adam hat mit seinen fast fünfzig Jahren eine Partnerin, mit der er sich gut versteht, einen Job, den er auch in Teilzeit ausführen kann, genügend Geld und Zeit. Aber soll das alles gewesen sein? Als seine Jugendliebe Angelina sich per Email mit "Hi" meldet, wird er aus seinem Alltagstrott aufgescheucht. Es wird Zeit, noch einmal innezuhalten und nachzudenken: Was erwartet er sich vom Leben? Was will er von Claire? Und welche Rolle spielt die Vergangenheit für ihn? Soll er versuchen, zum zweiten Mal in den gleichen Fluss zu steigen?

Ist das jetzt so etwas wie eine Midlife Crisis? Vielleicht. Der Auslöser kommt jedenfalls von außen, aber Adam geht sehr ernsthaft damit um. Der Leser kann mit ihm mitfühlen, wenn er von sich erzählt, von seinen Erinnerungen, von seiner aktuellen Lebenssituation - und immer wieder von Musik. Songs stehen bei ihm für Gefühle, für Situationen, sie tragen eine Botschaft. 

Und sie sind einer der Gründe, weshalb ich mit diesem Buch nicht wirklich warm werde. Ich mag eine ganz andere Art von Musik, und daher kenne ich von der beigefügten Playlist nur drei Titel, die ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr gehört habe. So kann ich vieles von Adams Welt nicht nachvollziehen. Obwohl er als Ich-Erzähler spricht, fällt es mir schwer, mich in seine Gefühle hineinzuversetzen. Er beschreibt sich auch als "Denker"-, nicht als "Fühler"-Typ. So breitet er seitenweise seine Vermutungen aus, weshalb sich Angelina nun wieder bei ihm gemeldet habe, was sie, was ihn selbst, was ihren Mann wohl umtreibt. Das kann ich nicht alles nachvollziehen, und so berührt es mich nicht wirklich.

Berührend fand ich viele Kleinigkeiten - wie z.B. den Mann, der beim Pferderennen heimlich auf jedes Pferd setzt, damit sich seine Frau über einen Gewinn freut; Nebencharaktere - wie z.B. Jacinta als junge Frau; einige psychologische Hintergründe - wie z.B. BATNA. Erwartet hatte ich eine Geschichte wie "Das Rosie-Projekt", das Buch, mit dem der Autor Graeme Simsion mit einem Schlag bekannt wurde. Adam hat mich längst nicht so berührt wie Don; daher war ich etwas enttäuscht. Aber der Autor hat es geschafft, dass ich meine eigene Lebenssituation noch einmal ansehe. In diesem Sinne hat sich die Lektüre dann doch für mich gelohnt.