Rezension

Was war Realität, was Farce?

Ein schönes Paar - Gert Loschütz

Ein schönes Paar
von Gert Loschütz

Bewertet mit 4 Sternen

Philipp (Fips) Karst erzählt die Geschichte von Herta und Georg, von denen zunächst unklar bleibt, in welchem Verhältnis sie zu ihm stehen. Seine Erzählung ist in einer fernen Zeit angesiedelt, in der Menschen sich offenbar auf zum Leben Wichtiges beschränkten. Sie gingen zu Fuß, schrieben mit Tinte und Füllhalter Briefe, viele Briefe, telefonierten aus der Telefonzelle. Selbstverständlich wurden die Briefschreiber von anderen nach der Sorgfalt ihrer Handschrift beurteilt. Autos gab es weniger als Parkplätze.

Herta hat eine Stelle im Bekleidungsgeschäft Herzog angenommen, dessen Mode sie jedoch selbst nicht tragen möchte. Sie wirkt, als hielte sie sich für etwas Besseres. Je nachdem, ob von Herta und Georg oder von Philips Eltern erzählt wird, kann es sich um unterschiedliche Geschichten oder Träume Philipps handeln, zwischen denen noch Löcher klaffen. Vielleicht gab es damals ja offizielle Lesarten, auf die man sich einigte und von denen jeder wusste, was sie zu bedeuten hatten. Denkbar ist es, dass Philipps Erinnerungslücken damals allgemein Konsens waren. Eines Tages verschwindet Herta; Vater und Sohn bleiben zurück. Georg sorgt sich nun darum, es könnte in der Wohnung unordentlich werden. Wo Philipp mittags isst, muss erst geklärt werden. Klar ist jedenfalls, dass es sich beim Mittagessen eines Schülers um ein privates Problem handelt, für das es anfangs noch keine bewährten Lösungswege gibt.

Der erwachsene Philipp arbeitet inzwischen als Fotograf und sichtet mit dem Nachlass seines Vaters auch das sonderbar wirkende Leben seiner Eltern. Was damals Realität und was Farce war, scheint unklarer denn je.

Was zeitweise wie eine Spionagegeschichte wirken könnte, entpuppt sich als Flucht eines Elternteils aus der DDR, die mit  Geschichten in unterschiedlichen Varianten beschönigt wurde. Der Sohn wurde später zum Parlamentär, der zwischen den Hälften einer Stadt und zwischen den getrennten Eltern pendelte und über den abwesenden Partner Bericht erstattete.

Solange es Staaten gibt, die ihre Bürger bespitzeln und verschleppen, werden solche sonderbaren Geschichten wohl weiter erzählt werden. Sehr nüchtern und sachlich erzählt Gerd Loschütz ein Stück deutsch-deutsche Geschichte aus den 50er Jahren.