Rezension

Waugh auf Reisen

Expeditionen eines englischen Gentleman - Evelyn Waugh

Expeditionen eines englischen Gentleman
von Evelyn Waugh

Bewertet mit 3 Sternen

Ich lese Waugh wirklich gern. Genauso wie ich Wodehouse lese und Anthony Powell. Letzterem hat er eine gewisse Spritzigkeit voraus und den Humor des Ersteren ersetzt er durch Zynismus. Ich lese bisweilen auch gern Karl May, aber dazu später mehr...
Bei diesem Buch Waughs handelt es sich nicht um einen Roman über die höheren Kreise Englands, sondern um einen Reisebericht. Dem Autor gelingt es, als Sonderberichterstatter der Times, der Krönung Haile Selassies beizuwohnen und er hängt dem Ereignis noch eine Reise durch Kenia, Sansibar, Kongo und Südafrika an. Selassie wurde 1930 zum König von Äthiopien ernannt und das Whoiswho der Diplomatenwelt reiste geschlossen an. Mittendrin Waugh, der schnelle Berichterstattung nicht unbedingt zu seinen Talenten zu zählen scheint, das aber auch nicht zugeben mag und viel lieber sein Gift über die Kollegen verspritzt. Überhaupt ist die ganze Angelegenheit für ihn viel zu aufgebauscht und dass die Hälfte der Gäste wichtiger ist als er, trägt auch nicht zu seinem Vergnügen bei. Da es sich bei allem Genörgel aber nun einmal um Waugh handelt, liest sich der Bericht trotzdem ganz amüsant, allerdings von stetem irritierten Kopfschütteln begleitet.
Die sich daran anschließende Reise jedoch entsprach wohl so ganz und gar nicht seinen Vorstellungen. Da erleben wir einen nöligen, standesbewußten Engländer, der natürlich immer den bestmöglichen einzuschlagenden Weg wüsste, wenn nicht seine verheerend unfähigen Mitmenschen das verhindern würden. Die Züge fahren nicht, die Schiffe warten nicht, die Hotels sind unterirdisch, die Menschen langweilig (Europäer) oder affenartig (Afrikaner), die Landschaft ist staubig, die Organisation grottig.
Bei Karl Mays Reiseberichten habe ich als Jugendliche immer die endlosen Landschaftsbeschreibungen überflogen und mich von Abenteuer zu Abenteuer gehangelt, auch damals schon mit einem breiten Lächeln über das immerwährende Heldentum des Old Shatterhand oder Kara ben Nemsi. Ein Graus die Vorstellung, diese Romane hätten nur aus Landschaftsbeschreibungen bestanden! Waugh wäre allerdings nicht Waugh, wenn nicht von Zeit zu Zeit brillante Spitzen aus dem eher langweiligen Satzbrei herausragen würden, so beispielsweise seine kleine Klettertour in Aden. Alles in allem würde ich aber dazu raten, eher zu seinen Gesellschaftsstudien zu greifen und die Abenteuerreisen Herrn May zu überlassen. Wobei der sie ja am Schreibtisch sitzend absolviert hat, während Waugh immerhin tatsächlich unterwegs war.