Rezension

wenig Handlung, viele moralische und grausame Facetten mit einigen sehr futuristischen Ideen

Eve of Man (2)
von Tom Fletcher

Bewertet mit 3 Sternen

Von der Hoffnungsträgerin zur Widerstandskämpferin, aber trotzdem ein typischer 2. Band

Allgemein:

Was würde passieren, wenn unsere Erde eine Apokalypse durchmacht? Umweltkatastrophen, Endzeitszenario und als wäre es nicht genug, werden keine Frauen mehr geboren. Als Jahrzehnte später Eve als die Retterin der Menschheit geboren wird und gut behütet in einem Turm aufwächst, ahnt sie nicht, dass ihre Welt bald aus allen Fugen gerät. Mit der Wahrheit und ihrer ersten Liebe Bram im Gepäck flüchtet sie auf spektakuläre Art und Weise aus ihrem alten Leben. Doch wird sie „draußen“ zurecht kommen? Welches Ziel hat der Widerstand? Und wird Eve frei sein können? Die Antworten auf diese Fragen gibt der 2. Band von „Eve of Man – Die Rebellin“ von Giovanna und Tom Fletcher. Der dtv-Verlag nahm sich erneut der Übersetzung an und veröffentlichte den Titel im November 2020.

Mein Bild:

Oh ja, ich habe länger als erwartet auf dieses Buch gewartet. Das war nicht so einfach, denn Band 1 endet in einem miesen Cliffhanger und der jetzige Band 2 endet in einer Erkenntnis mit der ich mich gern noch länger hätte auseinandersetzen wollen, obwohl ich geahnt habe, dass es so kommt. Aber zu Vorahnungen und Unerwarteten komme ich gleich noch.

Meine Überraschung war ziemlich groß als ich dieses dünne Büchlein in der Hand hielt. Um die 100 Seiten weniger als der 1. Band. Das hat mir zunächst Angst gemacht. Ich hab mich echt gefragt, wie die Antworten auf meine Fragen da hinein passen sollen. Dafür überzeugt das Hardcover auf Anhieb. Der Metallic-Effekt ist wirklich toll und Eves Symbol fand ich mit dem gleichen Effekt auch unter dem Schutzumschlag wieder.

Beim Aufschlagen des Buches war ich darauf gefasst erneut auf die Ich-Perspektiven der 16-jährigen Hoffnungsträgerin Eve und ihrem best friend/ love Interest Bram zu stoßen. Ja, und dann kam Michael. „Wer zum Teufel ist Michael?“ Dachte ich mir. Er war mein Rückblick, denn zu Beginn nahm ich die Verfolgung von Eve und Bram während ihrer Flucht aus seiner Perspektive heraus wahr und es hat Klick gemacht. Michael begegnete mir bereits kurz im 1. Band. Er ist ein Finalgardist in dem autoritären Regime, dass sich um die Retterin Eve kümmert und „sorgt“ oder genauer gesagt ist er Soldat und Bodyguard. Sein Blickwinkel zeigte mir ab sofort das Geschehen im Turm, dass nicht nur Eves zuhause war, sondern auch eine Art Illusion für sie. Dieses Gebäude und seine BewohnerInnen zeigen weiterhin, wie detailliert das Setting konstruiert wurde. Hochtechnologisch, bildlich und umso mehr ich las, umso mehr zeigten sich mir die Tiefen – Dank Michael.

Ich fand seinen Charakter eingangs mühselig zu beobachten. Ein Mann, der Befehle ausführt, der völlig unter der Kontrolle eines Regimes steht und das unter anderem aufgrund absolut crass technischer Möglichkeiten. Natürlich fragt Michael sich auf welcher Seite er eigentlich steht. Mir hat das eindeutig zu lange gedauert. Als er dann endlich die Schlussfolgerungen zieht, denen er zuerst den Rücken zugekehrt hat, machte seine Perspektive, sein Umgang mit Vertrauen, Loyalität und Barmherzigkeit mehr Sinn.

Mit Eve war es eine kleine Achterbahnfahrt. Ich bewundere sie definitiv für ihren Mut und sie ist wirklich schlau und es hat Spaß gemacht zu sehen, wie sie anderen zeigt, dass man sie nicht unterschätzen sollte. Sie legt dahingehend eine wunderbare Entwicklung hin, sich selbst treu zu sein und sich nicht rum kommandieren lassen. Das Autorenduo zeichnet sie aber nicht perfekt. Ihre Gedanken spiegelten wider, dass sie eine ganz neue Welt betritt, sich fragt, wo sie hingehört, wem sie trauen kann und ob sie ihren Platz gefunden hat. Mit 16 und bis dato völlig abgeschirmt gibt einem niemand komplette Ruhe und Allwissen mit. Deswegen wunderte es mich, dass man ihr unter den Rebellen (Libertisten) eine ziemlich hohe Position zur Verfügung stellte. Das wirkte als Konzept nicht ausgereift.

Rückenwind gab ihr da, manchmal mit Widerwillen, Bram. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, war er mir im Buch nicht präsent genug. Tatsächlich hätte ich ihn für die Handlung bei den Libertisten nicht gebraucht. Schade. Ich nenne es mal Degradierung zum Love Interest, um irgendwann den ein oder anderen Plottwist einzuschieben. Er fiel zu wenig auf. Schon allein, weil Eve und er in die „Tiefen“ der Stadt Central flüchteten – beide also am gleichen Ort fast das Gleiche erlebten. Mir fiel es tatsächlich schwer beide Perspektiven zu unterscheiden. Der Charakter war am Erzählstil nicht immer erkennbar. Das erschwerte mir das Verständnis für die Storyline.

Dafür ist das Setting in den „Tiefen“ ein sehr feuchtes, jedoch bekanntes Versteck. Der Gegensatz zu dem hochtechnologischen Turm ist prägnant und zeigt anhand dessen, wie die Menschen behandelt werden bzw. was sie der Macht im Turm wert sind. Die Deutlichkeit schon allein darin, gefiel mir.

Die Handlung selbst ist irgendwie typisch für einen 2. Band. Von der Erkenntnis gehen die beiden Autoren nun über zur Rebellion. Es gilt die gegnerische Seite auszuschalten, um das zu bekommen, was man möchte. Gut, nur nichts Neues – es war zu erwarten. Mich überraschte also der ein oder andere Verrat oder die Grausamkeiten nicht. Jedoch die Masse an Gewalt. Dahin blickend hätte ich mir eine Triggerwarnung gewünscht. Die Altersempfehlung liegt ab 14 Jahren. Ob das alt genug ist, möchte ich infrage stellen, denn innerhalb des Buches werden Menschen gefoltert. Ich bekam eine Gänsehaut beim Lesen, betete wirklich, dass nicht das passiert, was ich denke und dann kam es oft schlimmer. Einerseits finde ich es gut, dass nichts beschönigt wird. Eine autoritäre, technologisch hoch entwickelte Herrschaft von Wenigen über Viele besinnt sich oft darauf, dass Menschen Mittel zum Zweck werden. Das ist falsch und zeigt das Buch deutlich anhand der Hauptcharaktere, die für viele gesellschaftlich gute Eigenschaften einstehen und dafür büßen sollen. Andererseits wäre weniger mehr gewesen. Es war zu viel der Brutalität.

Hingegen brachte ein psychologischer Aspekt einige Überraschungen mit sich: Die Manipulation von Menschen. Ich fand es irre, wie daraus Wendungen eingewoben wurden, die vor allem darauf beruhten, dass Liebe, Vertrauen, Freundschaft und noch einige andere menschliche Züge als Schwäche ausgelegt werden können. Wer kennt das nicht,? Lässt man Gefühle zu, macht man sich verwundbar. An mancher Stelle hätte ich nie soweit gedacht. Chapeau!

Fazit:

Ein typisch 2. Band, in der sich 2 Seiten gegenüberstehen und die Protagonisten einen durchwachsenen Eindruck hinterlassen. Dafür sind die Ideen für Wendungen und Storyline oft spannend verpackt. Für Fans des 1. Bandes und Dystopien mit technologisch-evolutionären Touch.