Rezension

Weniger Loop als (Abwärts)Spirale - leider

The Loop. Das Ende der Menschlichkeit (The Loop 1)
von Ben Oliver

Ein Roman mit gutem Ansatz, schöner Idee, toller Atmosphäre, nur leider mit so vielen Schwächen, zu vielen Ideen und zu viel Action auf einmal, dass der man sich als Leser nur so durch den Roman gehetzt fühlt und keine Zeit hat, sich dort zurecht zu finden.

Die Welt des Autors Ben Oliver ist eine, in der unsere heutige Technologisierung und Digitalisierung und unser Umgang mit derselben radikal weitergedacht wurde. Ihre Bedeutung ist für die Romangesellschaft im Tagesgeschäft allgegenwärtig, geradezu überlebenswichtig. Alle nennenswerten Handlungen werden von digitalen Produkten gestützt, viele Systeme von Computern bzw. KI gesteuert, selbst der Mensch und natürliche Abläufe werden digital optimiert. Die in der Zukunft spielende Romanwelt ist dem Leser vage bekannt und zugleich erschreckend neu und anders. Und darin liegt der besondere Schrecken von Ben Olivers Roman: Er rührt an bekannten Ängste und spielt eine denkbare Zukunft durch.

Damit steht der Roman ganz klar in der Tradition von Romanen wie 1984, Brave New World, The Machine Stops, auch neueren Dystopien wie Never Let Me Go und Corpus Delicti (Juli Zehs Roman wurde ins Englische übersetzt, es könnte also durchaus eine Vorlage gewesen sein) und natürlich aktuellen Jugenddystopien wie The Hunger Games oder The Maze Runner. Dabei ist er keineswegs nur eine simple Kopie, Ben Oliver schafft mit seinen Figuren, den Gesellschaftsstrukturen und besonders durch seine Idee für das Gefängnis, dem Loop, einen ganz eigenen Ansatz. Und es ist gerade das Loop, das auch ganz subtil dem Leser (literatur-)wissenschaftlich-philosophische Modelle und Konzepte wie dem des Panopticons, von der Überwachungsgesellschaft und der Kultur der Überwachung (die dem Autor als Englischlehrer wahrscheinlich bekannt sind) näherbringt. Denn es ist das Fehlen jeglicher Privatheit und Kontrolle bei gleichzeitiger totaler Isolation, der komplette Ausschluss aus dem normalen, gesellschaftlichen Leben, der Social-Media-Welt, ja selbst den familiären Beziehungen, und damit die völlige Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens, die dem Protagonisten und seine jugendlichen Mitinsassen zu schaffen machen – und es sind gerade diese Lebensumstände, die manch ein Leser, in Anbetracht der aktuellen, weltweiten Lage ausgelöst durch Covid-19, nun noch besser nachvollziehen kann und die beim Lesen umso schrecklicher (nach)wirken.

Wo es dem Autor eindrucksvoll gelingt eine neue, erschreckende Welt und Atmosphäre zu erzählen, da scheitert er leider am Plot und teilweise auch an den Figuren. Diesen fehlt es streckenweise an Tiefe, sodass Entscheidungen und Haltungen unmotiviert erscheinen und schwer nachvollziehbar sind. Der Protagonist Luka Kane ist ohne Frage sympathisch, er hat verständliche Schwächen und Ängste, ist dennoch mutig und bereit über sich hinauszuwachsen. Aber wie bei den anderen Figuren ist auch Lukas Charakter sprunghaft, manchmal fast schon physisch-schmerzhaft naiv. Dadurch dass man als Leser kaum Zugang zu tieferen Gefühlen oder Gedanken hat bleibt die Figur in der Tiefe fremd – und das obwohl als Erzählform die Ich-Perspektive gewählt wurde. Die fehlenden, tiefergehenden Gedanken werden durch einen dichten, handlungsreichen Plot ersetzt. Die Spannung, erzeugt durch das schnelle Handlungstempo und viel, sehr viel Action, geht aber leider allzu häufig zu Lasten der Logik, sodass man immer wieder über Fehler stolpert, die der Autor zu allem Überfluss im Roman zu erklären oder zu rechtfertigen versucht.

In Anbetracht der Tatsache, dass es sich bei dem Roman um einen Auftaktroman zu einer Reihe handelt, sind diese Schwächen enttäuschend. Der Cliffhanger am Ende scheint vielversprechend, zu Teil 2 werde ich aber wahrscheinlich trotzdem nicht greifen.
Deswegen gibt es von mir nur 2 von 5 Sterne. Für ein reifes-jugendliches Lesepublikum mag der Roman seinen Reiz haben und ist mit Vorbehalt durchaus zu empfehlen. Jeder, der aber beim Lesen auch genauer hinguckt, der sich gerne in die Protagonisten hineindenkt und hineinfühlt – dem rate ich eher von dem Roman ab.