Rezension

Wenn das böse keine Fiktion mehr ist…

Wir haben schon immer im Schloss gelebt - Shirley Jackson

Wir haben schon immer im Schloss gelebt
von Shirley Jackson

Bewertet mit 3 Sternen

Merricat, ihre Schwester Constance und ihr Onkel Julian leben am Rande eines Dorfes, im Schloss der Familie Blackwood. Alle anderen Familienmitglieder sind tot, sie wurden vergiftet. Merricat liebt die Ruhe und Abgeschiedenheit im Schloss, doch seit Constance freigesprochen wurde, den Rest der Familie ermordet zu haben, lässt die Welt und besonders die Dorfbewohner ihnen keine Ruhe mehr. Zusätzlich wird die Einsamkeit der drei, durch das Auftauchen von Cousin Charles, empfindlich gestört. Auf Charles Weg, sich nicht nur Constance, sondern auch der Besitztümer der Blackwoods zu bemächtigen, eskaliert die Stimmung und endet verheerend.

Shirley Jackson war US-amerikanische Schriftstellerin, die vor allem durch Horrorromane und -geschichten bekannt wurde. Wie auch in anderen Romanen beinhaltet „Wir haben schon immer im Schloss gelebt“ Aspekte und Erfahrungen aus Jacksons privatem Leben, die sie versucht hat so zu thematisieren. Sie verarbeitet scheinbar in diesem Werk, die ihr und ihrem Mann widerfahrenen Antisemitischen und Antiintellektuellen Konfrontationen. Ein weiterer, wichtiger Aspekt dieser Geschichte ist das Thema Angststörungen, eine für Jackson nicht unbekannte, ernstzunehmende Erkrankung. Sie erschafft in diesem Werk eine sehr befremdliche Atmosphäre, fügt dem Ganzen eine böse Komponente bei und verdeutlicht die Auswirkungen und Konsequenzen von Gruppenhass und dessen Dynamik. Die Abschottung der Familie um sich all dem zu entziehen und die daraus resultierende Steigerung des Hasses, bis zur völligen Entgleisung. Sie setzt diesen negativen Emotionen aber bedingungslose, zum Teil unergründliche Liebe und Hingabe der beiden Schwestern entgegen. Wir erleben durchweg die Geschichte aus Merricats Perspektive, die zum Handlungszeitpunkt zwar schon das 18. Lebensjahr erreicht hat, sich aber in ihrer geistigen Entwicklung zum Teil deutlich in Verzögerung befindet. Durch Jacksons Erzählweise wirkt sie in manchen Momenten sogar noch sehr kindlich. Meine Vorstellung von der Richtung, in die diese Geschichte laufen könnte war eigentlich eine ganz klare. Für mich war das ungeklärte Verbrechen und der Giftmord an der Familie Blackwood von großem Interesse und ich dachte diesem wird im Laufe der Story das Hauptaugenmerk beigemessen. Tatsächlich war es für Jackson aber lediglich ein Stilelement welches als Böse Komponente fungierte und im Verlauf eher an Bedeutung verlor. Die Schilderungen der Autorin waren durchweg Interessant und sogar schockierend, gerade in Bezug auf die Dorfbewohner und deren Verhalten. Sprachlich und vom Schreibstil war es schon eine Herausforderung, da man der Geschichte aufmerksam Folgen musste um auch die besondere Beziehung der Familienmitglieder spüren und ansatzweise nachvollziehen zu können. Den Gesprächen der vier zu lauschen, war zum Teil etwas anstrengend, da Merricats kindliche Art, Onkel Julians gesundheitlicher Zustand und Constance Einigelung die Konversationen doch recht wirr wirken ließen. Alles in allem, wenn man sich auf die Kernaussage des Buches einlässt und nicht auf eine Geistergeschichte/ Kriminalfall und dessen Lösung wartet, ein sehr gelungenes Werk. In seiner weitreichenden Tiefsinnigkeit, ein Buch dessen Fokus nicht gleich offensichtlich ist, welches man aber selbst nach dem lesen nicht so leicht vergisst.

Fazit: Ein Romanklassiker, welcher mehr durch seine Aussage, als Horrorelemente besticht, denn hier ist die wirklich böse Kraft kein erdachtes Gespenst, sondern der Mensch an sich und sein handeln.