Rezension

Wenn das Leben Dir Angst macht

Die Farben meines Herzens - Noa C. Walker

Die Farben meines Herzens
von Noa C. Walker

Bewertet mit 5 Sternen

Ein Auftrag führt Mika in die Berge, hoch über Meran, um dort Sturmschäden an den Bäumen rund um eine alte Kapelle des Jakobswegs zu beseitigen. Sein Einsatzort ist nur zu Fuß zu erreichen, sein Werkzeug trägt eine Eselin und der Aufstieg ist mühsam. Seiner Meinung nach kann es sich bei der Auftraggeberin nur um eine ältere, alleinlebende Dame handeln, denn wer sonst lebt so weit abgeschieden, außerhalb jedweder Zivilisation? Vor Ort trifft er jedoch auf eine junge Frau, die ungefähr in seinem Alter ist.

Vor 10 Jahren hat Filomena sich an diesen Ort der Einsamkeit und Stille zurückgezogen. Schon der Gedanke an fremde Menschen bereitet ihr Unwohlsein und ihr Körper reagiert mit extremen Panikattacken. Einzig mit Familie Gassner und dem Priester hat sie Kontakt. Erstaunlicherweise kann sie auch Mika ganz gut in ihrer Nähe ertragen und dieser fühlt sich ebenfalls in Fillys Nähe sehr wohl, was zur Folge hat, dass sie auch nach Abschluss des Arbeitseinsatzes von Mika Zeit miteinander verbringen.

Ist Mika der richtige Mann, um Filomena wieder ins Leben zurück zu führen?
Denn eigentlich möchte sie doch genau das tun – leben!

„Die Farben meines Herzens“ ist mein 3. Buch von Noa C. Walker und, wie schon „Du, ich und die Farben des Lebens“ und „Der Tanz unseres Lebens“, hat es mich wieder einmal sehr berührt und auch nach dem Lesen des letzten Satzes noch lange nicht losgelassen.

„Es gibt Momente im Leben, da steht die Welt für einen Augenblick still und wenn sie sich dann weiterdreht, ist nichts mehr, wie es war.“

Filomena hat etwas erlebt, das jeden von uns – ausnahmslos jeden von uns – verändern würde. Im Anschluss an dieses traumatisierende Erlebnis musste sie dann leider auch noch erfahren, wie wichtige Menschen in ihrem Umfeld sich verhalten, wenn sie auf bestimmte Situationen mit Angst oder gar Panik reagierte, wenn ihr Körper sie immer wieder in die Knie zwang. Das alles zusammen, äußert sich in einer ausgewachsenen Sozial-Phobie.

Noa C. Walker spricht in diesem Buch ein Thema an, welches in unserer Gesellschaft noch immer tabuisiert wird. Obwohl wir so modern und aufgeschlossen sind, sind Angststörungen/Phobien etwas, über das man am besten nur hinter vorgehaltener Hand oder besser gar nicht spricht. Wenn wir, jeder für sich, in uns hineinhören, dann leidet fast jeder an irgend einer Art von Angst: Angst vor Spinnen/Krabbeltieren, Angst vor geschlossenen Räumen (Aufzügen), Höhenangst …… meine Nachbarin z. B. hat eine ausgeprägte Angst zu fallen.

Die Charaktere wurden von Noa C. Walker authentisch, vor allen Dingen aber liebevoll angelegt. Es gibt nicht sehr viele Akteure, aber jeder einzelne ist wichtig für die Geschichte.

Als Leser kann ich die Zerrissenheit fühlen, die Filomena fühlt – sie würde gerne ein ganz normales Leben leben, aber ihr Körper lässt sie nicht. Die Angst, wenn wieder eine Panikattacke im Anrollen ist, ihr Verstecken, damit niemand sie in diesem Zustand sieht, die Unsicherheit im Umgang mit fremden Menschen. Andererseits jedoch die liebevolle Fürsorge, die sie den Gassner-Kindern zukommen lässt. Als sie feststellt, dass sie Mika sehr gerne in ihrer Nähe hat, fängt sie langsam an sich zu öffnen und redet mit Mika über das, was passiert ist und was das mit ihr gemacht hat. Ganz langsam, Stück für Stück, stellt sie sich verschiedenen Situationen.

Mika ist selbst nicht frei von Ängsten, er leidet unter Höhenangst. Vielleicht ist das der Grund, warum er sich so schnell in Filomena einfühlen kann. Er wird liebevoll mit den Attributen „bewegt sich wie eine Schnecke“ und „denkt so langam wie ein Faultier“ beschrieben. Wahrscheinlich sind aber genau das seine Stärken – Mika ist bedächtig, einfühlsam und punktet durch seine unglaubliche Ruhe in bestimmten Situationen. Einen besseren Mann könnte Filly nicht an ihrer Seite haben. Es gibt da eine Szene in einem Schuhgeschäft, die mich wirklich sehr tief berührt hat. Manchmal muss man einfach nur jemanden haben, an den man sich vertrauensvoll anlehnen kann – wortlos.

Dass Großmutter Gassner und Bruder Rubens, die seit Jahren befreundet sind, bei der ganzen Geschichte ein klein wenig die Fäden in der Hand halten, bekommt der Leser durch die Dialoge der Beiden offenbart.

Die Stellen, in denen die Autorin die Südtiroler Landschaft beschreibt, lassen ein grandioses Bild vor meinen Augen entstehen. Filomena muss in einem wahren Paradies leben.

Ein sehr bewegendes Buch, das einen realen Hintergrund mit einer fiktiven Geschichte verschmelzen lässt. Das Ereignis, das Filomena verändert hat, beruht auf einer wahren Begebenheit. Die Autorin versteht es hervorragend mit ihren leisen und unaufdringlichen Geschichten den Leser zu berühren und zum Nachdenken anzuregen. In mir klingen diese Bücher immer noch eine ganze Zeit lang nach.