Rezension

Wenn das Subjekt einer historischen Recherche plötzlich real wird.

Der Sozius - Lyl Boyd

Der Sozius
von Lyl Boyd

Bewertet mit 5 Sternen

Eine spannende Geschichte aus fiktiven und realen historischen Elementen mit einer Prise Humor. Lesenswert!

Das Buch:

Ich habe dieses Buch als e-book zum Vorablesen bekommen, wofür ich mich beim Lyl Boyd ganz herzlich bedanke. Was mich erwartet, habe ich nicht gewusst, was die Sache umso spannender für mich machte – und ich wurde nicht enttäuscht!

Worum geht’s?

Teresa recherchiert in der Lebensgeschichte des Sozius während der 80er Jahre im Milieu um daraus eine Geschichte zu machen. Dabei findet sie so einiges über ihn heraus, was ihm aber offensichtlich so gar nicht passt. Demnach will er – also der Sozius – verhindern, dass Teresa an weitere Informationen heran kommt. Am Schluss jedoch ist ausgerechnet er es, der Teresa die fehlenden Brocken zu ihrer Geschichte liefert.  …und es wird ein Geheimnis gelüftet.

Die Charaktere:

Teresa ist eine ehrgeizige, junge Frau, die sich durch nichts so schnell aus der Ruhe bringen lässt. Ihre Hartnäckigkeit in Bezug auf ihre Recherchen nötigen mir einigen Respekt ab. Selbst als es brenzlig wird und der Sozius auftaucht, verlässt sie nicht der Mut. Ich mag starke weibliche Persönlichkeiten in Geschichten sehr – und der Sozius offenbar auch! Denn er zollt ihr den Respekt, indem er mit ihr redet und Informationen liefert, die zum Gelingen ihrer Geschichte beitragen.

Schneider ist etwas undurchsichtig, vielleicht sogar zwielichtig, aber überhaupt nicht unsympathisch – in seiner Branche ist das vielleicht durchaus passend. Er entwickelt z.B. ein Programm, mit dessen Hilfe man Rezensionen erstellen kann, die nichts mit echten, authentischen Rezensionen zu tun haben, aber dennoch den Verkauf der Produkte ankurbeln. Seine Mutter ist eine seltsame Person, mit der man am liebsten gar nichts zu tun haben will – aber sie gehört in sein Leben.

Der Sozius hat nie – auch am  Ende der Geschichte nicht – einen wirklichen Namen bekommen. Und obwohl er eigentlich ein Verbrecher ist, war er mir zu keiner Zeit unsympathisch – eher im Gegenteil. Er ist so eine Art Gentleman-Gangster: immer freundlich, immer wortgewandt, verliert nie seinen Anstand. Man traut ihm nicht zu im Rotlichtmilieu zu Hause zu sein und doch ist es so. Vielleicht liegt es daran, dass er sich tatsächlich von unten „hochgearbeitet“ hat und nicht alles geschenkt bekam. Insbesondere am Ende des Buches, als er sich erkenntlich zeigt, wird er so richtig zum Gentleman.

Die Perspektiven / Schreibstil:

Die Geschichte wird auf zwei Strängen erzählt. Einerseits ist da die Gegenwart, in der Teresa die Geschichte über den Sozius schreibt und gemeinsam mit Schneider auf der Suche nach weiteren Informationen ist, andererseits wird die Geschichte des Sozius erzählt, so wie Teresa sie bereits geschrieben hat. Interessant hierbei ist, dass sich beide Erzählstränge am Ende des Buches treffen und Teresa ein Gespräch mit dem Sozius führt. Die Tatsache, dass Teresa über die Vergangenheit einer lebenden Person schreibt, die dies auch noch zu verhindern versucht und darüber hinaus als nicht gerade zimperlich im Milieu bekannt ist, baut in der Geschichte eine enorme Spannung auf. So fiebert der Leser unweigerlich mit Teresa mit und ziemlich am Schluss, als Teresa und Schneider ganz dicht dran am Sozius sind, wird die Spannung tatsächlich beinahe greifbar.

Der Schreibstil von Lyl Boyd ist leicht zu lesen, man kann sich sowohl die Personen, als auch die Umgebung gut vorstellen und taucht in die Geschichte ein. Die 116 e-book Seiten flogen nur so dahin. Als Schmankerl für den Leser verarbeitet der Autor in seiner Geschichte so Dinge wie Whisky destilliert wird, warum irische Butter gelber ist oder wie Rezensionen gefälscht werden können. All das aber so in die Handlung eingebettet, dass es einem nicht so vorkommt, als würde der Autor etwas erklären wollen. Es passt einfach dazu! Das gefällt mir sehr gut und ich musste mehr als einmal schmunzeln.

Die Verknüpfung von fiktiven Elementen der Geschichte mit ganz realen historischen Hintergründen gelingt dem Autor sehr gut. So ist z.B. die Rede von der Nutella-Bande und der GmbH, zwei Zuhälterbanden aus Hamburg. Beide Banden kann man ergooglen – sie sind historisch belegt. Das macht die Geschichte etwas weniger fiktiv, sondern durchaus in der Realität vorstellbar.

Fazit:

Ein wirklich lesenswerter Krimi für zwischendurch. Er ist nicht wirklich blutig, es ist vielmehr der psychologische Aspekt und das Annähern und spätere Zusammentreffen der historischen mit der realen Zeitschiene, die die Spannung ausmachen. 5 von 5 Sternen.