Rezension

Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär, ...

Die Melodie meines Lebens - Antoine Laurain

Die Melodie meines Lebens
von Antoine Laurain

Verrückte Story meisterhaft erzählt.

Alain kann es nicht fassen. Der Brief von der Plattenfirma kommt 33 Jahre zu spät. Damals war er noch Mitglied bei den Hologrammes und nichts hätte er sich mehr gewünscht als eine Chance auf einen Plattenvertrag.
Jetzt wird ihm bewusst was er alles hätte haben können, wenn die französische Post nur nicht so geschlampt hätte.
Und bevor er in Depressionen verfällt und damit er sich nicht alleine über diesen Brief ärgern muss, macht er sich auf die Suche nach den restlichen Mitgliedern der Band.

Also, erwartet habe ich etwas ganz anderes...
Die Beschreibung des Buches liest sich so, als würde der Leser an Alains Erinnerungen, in diesem Fall den Achtzigern, teilhaben.
Ich habe mit Alains Erlebnissen aus der Vergangenheit gerechnet, als er noch in der Band war. Bekommen habe ich etwas ganz anderes, was ja nicht schlecht sein muss. Der Autor kann ja schließlich nichts dafür wenn der Verlag die Beschreibung so verhunzt.
Ein wenig überrascht war ich, als ich feststellte dass fast jedes Kapitel aus der Sicht einer anderen Person geschrieben wurde. Jede Figur, die irgendwann eine Rolle bekommt, selbst wenn es nur eine ganz kleine ist, bekommt ein eigenes Kapitel. Das machte die Charaktere für mich sehr unnahbar, da man nie lange genug mit ihnen zu tun bekommt. Und wirklich gemocht habe ich keinen einzigen von ihnen. Eine richtige Hauptfigur gibt es auch nicht. Selbst Alains Existenz war nur dazu da, damit der Autor um ihn herum die Geschichte aufbauen konnte.
Lange kam mir die Story wie ein undurchdringliches Knäuel aus Ereignissen und Figuren vor, ohne oben oder unten und ziemlich willkürlich aufgebaut. Aber genau das hat mir so gut gefallen an dem Roman. Ich wollte herausfinden was das eine mit dem anderen zu tun hatte. Auf diese Fragen bekam ich nicht immer eine zufrieden stellende Antwort, und besonders eine Person bleibt mir nach wie vor ein Rätsel.
Der Stil des Autors hat mir wirklich sehr gut gefallen. Er schreibt humorvoll und melancholisch zugleich. Manchmal übertreibt er bei der ein oder anderen Szene, was leicht unglaubwürdig wirken kann, im nachhinein empfinde ich diese Szenen aber als genau richtig. Na ja, die meisten zumindest.
Und sein Stil ist sehr französisch. Ich kann das nicht genau erklären, aber dieses Gefühl fürs Verrückte, ohne gleich verrückt zu klingen, kriegen einfach nur die Franzosen hin.
Und dann ist da ja noch die Frage von der der Roman lebt: "Was wäre gewesen wenn..."
Was wäre gewesen wenn Alain den Brief rechtzeitig bekommen hätte? Wäre alles besser verlaufen? Oder vielleicht sogar schlechter?
Und kann er jemals aufhören darüber nachzudenken was alles hätte sein können?

Perfekt ist dieses Buch für mich nicht. Und obwohl ich eigentlich etwas völlig anderes lesen wollte, kommt mir die Lektüre nicht wie eine Zeitverschwendung vor. Im Gegenteil. Das Buch drängt dazu, über das Gelesene nachzudenken.