Rezension

Wenn der Traum zum Alptraum wird

Das fünfte Kind
von Doris Lessing

Bewertet mit 5 Sternen

Wir lesen die Geschichte von zwei Menschen, welche den Traum einer großen Familie haben. Es kann nicht genügend Kinder geben, dass Haus nicht groß genug, die Familienfeier nicht ausschweifend genug. Aber alles hat seinen Preis. Wir erfahren von dem einen Kind, was nicht das geworden ist, was es sein soll und wie dies die nächsten zwanzig Jahre das Leben des Paares verändern soll…

Harriet und David haben sich beide in den 60ern bei einer Betriebsfeier kennen gelernt. Ihre für die damalige Zeit außergewöhnliche Einstellung zu Sex verbindet die beiden und führt dazu das sie ein Paar wurden.

Harriet ist eine Frau mit einer starken Persönlichkeit und hat Graphik studiert. Sie wusste aber schon immer das Familie für sie das wichtigste ist und hat somit kein Problem ihre Karriere an die zweite Stelle zu setzten. David kommt selbst aus einem guten Elternhaus und wünscht sich wie Harriet eine eigene Familie. So haben sie beide recht früh entschieden, dass sie mindestens sechs Kinder bekommen wollen. Da Kinder aber auch Geld kosten, ist die Planung sich Zeit damit zu lassen. Erstmal wurde ein sehr großes Haus gekauft mit zehn Zimmern. Wirklich leisten können sie es sich nicht, aber Davids Vater James ist vermögend und hilft den beiden.

Beide schlafen miteinander ohne zu Verhüten und falls es nun gerade passiert ist, so soll es sein. Obwohl Harriet erstmal geschockt ist von Davids Zielstrebigkeit. Da sie beide der Pille nicht trauen, sie wäre zu suspekt, verhüten sie eher „spontan“. Wie es nicht anders sein kann, wir Harriet nun schwanger. Die Eltern von David sind alles andere als begeistert, da diese nun noch mehr Geld bereitstellen müssen und die beiden gehofft haben, dass das Haus erstmal fertig wird und Harriet noch arbeiten geht bevor der erste Enkel kommt.

Da die beiden wirklich zu dumm zum Verhüten sind, es zieht sich durch das ganze Buch, ist sie kaum drei Monate nach der ersten Schwangerschaft wieder schwanger. Man liest durch die Zeilen das hier nur nach dem „ungefähren“ Zyklus verhütet wird, in dem man in dem Augenblick entweder keinen Sex hat oder es mit sehr zweifelhaften Versuchen der Verhütung gearbeitet wird.

Die Familie und Freunde sind geschockt und es kommt allmählich der Gedanke des „asozialen“ und unmenschlichen Gedanken auf, dass die beiden einfach nur unverantwortlich sind. David arbeitet sich zu Tode und Harriet ist dauerschwanger. Das Geld muss von Opa reingebracht werden und schon bald muss Oma das Kindermädchen spielen.

Kaum ist das zweite Kind zwei Jahre alt, kommt Kind Nummer drei auf die Welt. 1973 folgt Paul als der vierte in der Runde. In der Familie gilt Harriet bereits als die Geburtenmaschiene die kein Verantwortungsgefühl hat. Da sie nun, wie sie selbst sagt, als „Kriminelle“ in der Verwandtschaft gilt, beschließt sie, dass nun Kind fünf mindestens drei Jahre warten muss. Sie ist der Meinung jeder würde nur Neid für sie empfinden, denn alle wollen doch vier Kinder und mehr und sie würde sich einfach diesen Wunsch erfüllen. Das dies auf Kosten ihres Mannes und anderer Leute Geldbeutel passiert, scheint ihr zu entgehen. Zudem natürlich nicht jeder Kinder oder wenn so viele haben möchte.

Weil Harriet vieles kann, aber nicht vernünftig verhüten, wird sie nun auch mit der Pille, welche sie nun nimmt, wieder schwanger. Doch diese Schwangerschaft und das daraus entstehende Kind wird sie vor Schwierigkeiten stellen, welche sie nicht ahnt.  

Keine Sorge, dass ist nicht das ganze Buch, sondern gerade mal die ersten 15 % des Buches.

Denn das Kind, Ben, ist anders als normale Kinder. Der Ärger wächst, die Sorgen steigen und die beiden kommen an einen Punkt in ihrem Leben wo sie entscheiden müssen ob sie sich dieser Verantwortung stellen können.  Denn ihr Sohn scheint nicht von dieser Welt zu sein. Seine Gefühle, sein Körper und sein Verhalten stellen die beiden und seine Geschwister vor ungeahnten Schwierigkeiten.

Das Buch mit seinen 160 Seiten ist sehr schnell gelesen und wenn man erstmal denken sollte, dass es wenig Seiten sind, so sind sie aber in der Anzahl passend. Wir lernen die beiden zukünftigen Eltern kennen, die Kinder, die Verwandtschaft und vor allem Ben.

Harriet ist mir sowas von unsympathisch. Sie meint sie müsse unbedingt gelobt werden dafür, dass sie Kinder gebärt und sich für so viele entschieden hat. Sie fühlt sich schnell angegriffen und glaubt jeder will ihr das Glück nehmen und verbieten. Was sie nicht beachtet ist das Kinder Geld kosten und auch gemanagt werden müssen. So verzweifelt sie, dass sich kein Kindermädchen findet und bringt Davids Mutter dazu sich um alles zu kümmern. Dies dankt sie nicht, sondern veranlasst immens große Feiern, um zu zeigen wie toll ihr Haus und ihre Kinder sind. Die Arbeit macht sie natürlich nicht alleine.  Dass sie nicht in der Lage ist vernünftig zu verhüten und dann mit der Kritik nicht klarkommt, macht es auch nicht besser.

Von David erfahren wir weniger, da er ständig auf der Arbeit ist und man merkt das er zwar die Kinder will und liebt aber es ihm einfach zu viel wird. Er versucht Harriet zu helfen, merkt aber dass er nicht an sie ran kommt und es läuft einfach darauf hinaus das es nicht mehr so ist wie am Anfang und er nur noch der Geldbesorger ist.

Ben ist der Mittelpunkt der Familie kaum ist er da. Leider ist er nicht das „klassische“ Kind und wird die Geschichte und die Familie so richtig in Unruhe bringen.

Die Geschichte spielt mit verschiedenen Aspekten. Der Wunsch nach vielen Kindern in einer Gesellschaft wo es untypisch ist. Der Versuch selbstständig und unabhängig zu sein. Akzeptanz zu erhalten und auch Lob zu bekommen. Die Familie, welche an der ersten Stelle steht und versucht allen Hindernissen her zu werden und immer neuen Herausforderungen begegnet. Die Erschöpfung, welche wächst, die Familie, die zerbricht und die Frage am Ende, was davonbleibt.

Ein Buch welches berührt, mitreißt und wo man sich fragt wie man selbst in dieser Situation reagieren würde.