Rezension

Wenn die Grenzen von Leben und Tod verschwimmen

Die Ewigen - Martín Caparrós

Die Ewigen
von Martín Caparrós

Den Spruch von der "sich selbst erfüllenden Prophezeiung" hat jeder schon einmal gehört. Doch was passiert, wenn einer an die Türen fremder Männer klopft und ihn von ihrem Tod erzählt?"

Martín Caparrós’ Roman “Die Ewigen”, der 2011 mit dem spanischen Premio Heralde ausgezeichnet wurde, liegt nun in der Übersetzung von Sabine Giersberg auch auf Deutsch vor. Martín Caparrós erzählt darin die Geschichte des Jungen Juan Domingo Remondo, genannt Nito, der in den 70iger Jahren in Buenos Aires aufwächst.

Er lebt bei seiner Mutter und deren Freund Beto. Sein Vater ist verschwunden. Die Gründe erfährt Nito erst, als er fast erwachsen ist. Den Verlust spürt er seine ganze Kindheit über. Das Verschwinden des Vaters, so viel sei vorweg genommen, hat nichts mit der Militärdiktatur zu tun.

Nito ist ein Außenseiter, kleinwüchsig, früh in die Welt der Erwachsenen geraten, ein bisschen zu schlau für seine Klassenkameraden und mit einer zerstörerischen Energie ausgestattet, deren erstes Opfer die Lehrerin Senorita Alicja wird. Neben Sex beschäftigt er sich viel mit existentiellen Fragen. Nito, den die Oberflächlichkeit und Verlogenheit der Erwachsenen abstößt, findet keine Perspektive und lebt als Halbwüchsiger mehr und mehr in den Tag hinein.

Bis er sein Talent entdeckt, Menschen durch Worte in seinen Bann zu ziehen und ihnen den Tod vor Augen zu führen. Sein erstes Opfer wird der Mann, den er für den Tod seines Vaters verantwortlich macht. Der skrupellose Pastor Trafálgar erkennt in Nito daraufhin ein nützliches Werkzeug bei seiner Missionierungsarbeit. Also beginnt Nito fremden Männern von ihrem Tod zu erzählen und sie – in ihrer Todesangst – zurück in die Arme der Kirche zu treiben, bis er selbst eine solche “Ankündigung” erhält und verschwinden muss.

Der Roman des 1957 in Buenos Aires geborenen Caparrós ist provokant. Er lässt sich vor dem Hintergrund der jüngsten argentinischen Vergangenheit als Aufruf gegen das Verdrängen lesen. Seine Beobachtungen sind scharfsinnig und sehr überzeugend. Als Erzähler hält sich Caparrós für meinen Geschmack aber deutlich zu lange beim Kennenlernen der Eltern und der Zeugungsgeschichte Nitos auf. Über die ersten 200 Seiten retteten mich die kurzen eingeschobenen Dialoge zwischen Nito, dem Künstler Carpanta und seiner Freundin Titina, mit denen Caparrós auf das Finale hinarbeitet:

Mit der Erfindung der “Living” – so auch der Titel des spanischen Originals – kippt das Nebeneinander von Leben und Tod ins Groteske. Dem Aktionskünstler und Geschäftsmann Carpanta gelingt schließlich ein Coup, der Nito zum Star macht und in die Nähe einer Präsidentschaftskandidatur rückt.