Rezension

Wenn die Männer an der Front kämpfen und Frauen das Ruder übernehmen ...

Schöner sterben in Paris - Frédéric Lenormand

Schöner sterben in Paris
von Frédéric Lenormand

Bewertet mit 3 Sternen

Kommissar Raymond Février, klein und schnurrbärtig, hatte sich immer zu den Guten gezählt. In Paris haben Anfang des 20. Jahrhunderts längst  die Frauen das Ruder übernommen haben, um die Arbeitsplätze der Männer zu besetzen, die in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs verheizt werden. Der Einberufung an die Front versucht Raymond zu entgehen, indem er sich als Frau verkleidet und in einer Detektiv-Agentur anheuert. Die Agentur Burnett hat das Problem der gesamten französischen Wirtschaft, der Eigentümer ist an der Front und seine unerfahrene Tochter Cecily kann den Chef längst noch nicht ersetzen. Mit Perücke, Schminke und zu kleinen Trippelschühchen ausstaffiert, macht Ray sich in der Rolle der Detektivin Louise Chandeleur jedoch schnell unentbehrlich. Rays Auftreten als Loulou kann nach menschlichem Ermessen nicht unbemerkt bleiben; denn er kann sein Polizistengehabe und sein berufliches Wissen einfach nicht verbergen. Die Rolle zwickt ihn noch hinten und vorn. Für den komplizierten Fall der Familie Schlésinger scheint er jedoch exakt der richtige Ermittler zu sein.

Die Schlésingers gehören dem gehobenen jüdischen Bürgertum an und werden von jemandem erpresst, der offenbar nicht zögert, seine ernsten Absichten Mord für Mord anzukündigen und die Taten auch durchzuführen. Loulous und Cecilys Ermittlungen sollen nun klären, warum Paul Schlésinger eine absolut nicht standesgemäße Ehe mit einer Arbeiterin einging. Das Detektivpaar ermittelt quer durch Paris und lässt Leser der Gegenwart in eine vom Krieg niedergedrückte Stadt und ihre Hinterhöfe blicken. Schlechte Zeiten bringen nicht gerade die menschlichsten Seiten hervor. Das Lästern der Figuren über Männer, die gern noch ein Weilchen länger an der Front bleiben könnten, damit ihre Frauen weiter einen eigenen bezahlten Arbeitsplatz und größere Freiheiten behalten, könnte man durchaus zu zynisch finden.

In zeitgemäß verschnörkelter Sprache und mit schnellen Szenenwechseln entfaltet sich ein komplizierter Fall vor Lenormands Lesern. Das rosa Cover sollte nicht die falsche Erwartung wecken, dass sich der Roman ohne Anstrengung zwischendurch lesen lässt. Die Ermittlungen werden nicht einfacher durch Rays Rollenwechsel, da der Erzähler seine Figur weiter als Mann denken lässt, Ray jedoch in Dialogen als Loulou auftritt. Neben Rays wirklich groteskem Auftritt erzählt der Autor durchaus interessante Fakten aus einer Großstadt im Krieg – und das mit leichter Hand. Ob man über Krieg, Kriegsversehrte und den Tod an der Front in süffisantem Ton schreiben sollte, darüber kann man geteilter Meinung sein.